Studis werden immer kreativer

Straßenkreuzungen besetzt, Minister mit Eiern beworfen. Morgen Großdemos

BERLIN taz ■ Ein Teil der Schickeria des Berliner Stadtteils Prenzlauer Berg erschrak gehörig. Andere zeigten ihrem Nachwuchs in den Kinderwagen amüsiert, dass die Polizei auch böse sein kann. Denn die grün Uniformierten gingen am Mittwochabend in voller Kampfmontur und mit Hunden gegen Proteststudenten vor. Ein Rollkommando von rund 300 Studierenden war zuvor durch den In-Bezirk gejoggt, um spontan Straßenkreuzungen zu besetzen.

Zwei Tage vor den geplanten Großdemonstrationen in Leipzig, Berlin und Frankfurt am Main, die sich gegen Bildungs- und Sozialabbau richten, mehren sich die Anzeichen, dass die bislang friedlichen Studentenstreiks an Militanz zunehmen. „Wir wollen den kreativen Streik mal ein bisschen zuspitzen“, sagten Teilnehmer der unangemeldeten Demos in Prenzlberg – ehe sie ihre Position im Stadtteil wieder wechselten. In Göttingen war es in der vergangenen Tagen bereits zu Uni-Besetzungen gekommen. Auch dort räumte die Polizei.

In Marburg (Hessen) bewarf ein Student Wissenschaftsminister Udo Corts (CDU) mit rohen Eiern. Corts wurde über dem linken Auge und an der Schulter getroffen – der 26-jährige Student muss sich nun wegen versuchter Körperverletzung verantworten.

„Die Entschlossenheit unter den StudentInnen nimmt zu“, bestätigte ein Studentensprecher in Frankfurt/Main. Martin Wagner von der Grünen Hochschulgruppe betonte zugleich, „dass sich die Studentenvertretungen nicht für radikalere Protestformen aussprechen“. Wagner sagte der taz, es gebe bisher keine Anzeichen, dass die seit vier Wochen anhaltenden Proteste irgendetwas bewirkten: „Die CDU-Regierung in Hessen bewegt sich kein Stück.“ In Hessen sollen die Hochschulen mit 30 Millionen Euro weniger auskommen. Kommendes Jahr sollen zudem Studiengebühren für Langzeitstudenten eingeführt werden.

Für die drei ersten bundesweiten Demonstrationen morgen erwarten die Organisatoren mehr als 60.000 TeilnehmerInnen (siehe Kasten). Die beiden Demos in Leipzig und Frankfurt/Main sollen, laut Studentensprechern, „erst mal auf die Probleme der Studierenden aufmerksam machen“. Das motest-Motto in Frankfurt klagt die Regierenden an: „Ihr nehmt uns unsere Zukunft.“

In Berlin wollen die Studierenden den Fokus auf Bildung und die sozialen Verhältnisse legen. In einem programmatischen Text spottet der Asta der FU Berlin über den allzu braven Streik der Studenten: „Man kann patriotisch ‚Hurra‘ rufen, aber auch richtig schimpfen, solange das alles keine praktische Konsequenz hat.“ Die Asta-Leute meinen, den Politikern gehe es nicht um das Wohl der Studierenden – sie seien in Wahrheit Gegner. Und fragen ihre Kommilitonen: „Wollt ihr wirklich weiterhin das auszubildende Menschenmaterial für die ökonomischen Protagonisten an einem x-beliebigen Standort sein?“

Unterdessen hat das „Centrum für Hochschulentwicklung“ eine neue Umfrage über die Akzeptanz von Studiengebühren unter Studenten bekannt gemacht. Das Meinungsinstitut Forsa hat ermittelt, dass 59 Prozent der befragten Studis für Gebühren seien – falls das Geld direkt in die Hochschulen fließt. Sei das nicht der Fall, lehnen 94 Prozent der Studenten Uni-Gebühren ab.

CHRISTIAN FÜLLER

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