Das deutsch-französische Duo

AUS PARIS RUDOLF BALMER

Zusammen mit dem deutschen Kanzler und dem italienischen EU-Vorsitzenden baute der französische Staatschef in den letzten Tagen die Positionen zur Verteidigung der Konvention aus. Die Festung des EU-Verfassungsentwurfs darf in Brüssel nicht fallen, lautet die Parole. Im Zweckbündnis der Gründerstaaten der Gemeinschaft darf darum nicht der kleinste Riss sichtbar werden. Im Verein mit den italienischen Regierungschef Silvio Berlusconi betreibt das deutsch-französische Duo gegenwärtig geradezu Echopolitik: Jeder bestätigt umgehend, was der andere gesagt hat, und umgekehrt. Sie dementierten auf diese Weise Vermutungen in der deutschen Presse, wonach Paris eher zum Einlenken bereit sei als Berlin. In diese Richtung geht auch die Analyse von Stephan Martens vom Pariser Institut für Internationale und Strategische Studien (Iris): „Paris und Berlin sind auf derselben Wellenlänge, aber nicht zu 100 Prozent. Frankreich ist zu Konzessionen bereit, aus Angst Deutschlands ‚Juniorpartner‘ zu werden.“

Am Rande des euro-mediterranen „5+5“-Gipfels mit den Maghrebstaaten Ende letzter Woche hatte Chirac seine Haltung im EU-Verfassungsstreit auf den Punkt gebracht: „Frankreich kann (und wird) eine schlechte Verfassung um jeden Preis oder ein Flickwerk nicht akzeptieren.“ Die Forderungen Spaniens und Polens verwarf er als „inkohärent“ und „unvereinbar mit einer gewissen europäischen Vision und dem Fortschritt (des EU-Aufbaus)“. Chirac erteilte im Namen der sechs Gründernationen den jüngeren EU-Mitgliedern und den Neuzuzügern eine Lektion: „Die Gründerländer, die mehr Erfahrung und mehr europäische Kultur haben als diejenigen, die später hinzukamen, sind sich ungeachtet aller eigenen Interessen einig, dass die vom Konvent vorgezeichnete institutionelle Architektur die richtige ist.“ Damit schiebt er die Schuld für einen möglichern Misserfolg in Brüssel im Voraus den Spaniern und Polen in die Schuhe und setzt diese unter Druck.

Wie Schröder will auch Chirac einen Misserfolg nicht einkalkulieren. Die Idee eines deutsch-französischen separaten „Sonderbunds“ verwerfen beide. Dennoch gibt es aus französischer Sicht nur eine Alternative, um eine „Implosion der EU“ zu vermeiden, wie sie EU-Kommissar Michel Barnier befürchtet: Bei einem Scheitern des Verfassungswerks käme die Dynamik eines Kerneuropa mit punktuellen Abkommen über eine engere Zusammenarbeit im Rahmen einer lockeren Union zum Zuge. Der Antrieb einer solchen Gemeinschaft mit variabler Geometrie wäre mehr denn je die deutsch-französische Achse. Auch mit dieser mehr oder weniger glaubwürdigen Perspektive lässt sich zumindest im Vorfeld des Gipfels von Brüssel Druck machen.