irakkrieg
: Dilemma der Menschenrechtler

Im Irakkrieg sind neben einer bis heute unbekannten Zahl von Soldaten tausende Zivilisten getötet, verletzt und verstümmelt worden. Viele dieser Opfer wären zu vermeiden gewesen, wenn die Truppen von USA und Großbritannien darauf verzichtet hätten, Streubomben einzusetzen und durch gezielte Luftangriffe irakische Führungspersönlichkeiten auch in dicht besiedelten Wohngebieten zu töten. Dies belegt detalliert der Bericht über die Kriegsführung der irakischen und der US-Armee der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.

KOMMENTARvon BERND PICKERT

Ein wichtiger Hinweis einer besorgten Organisation – oder mehr? Human Rights Watch wird in den Vereinigten Staaten durchaus wahrgenommen, und bereits vor dem Afghanistan- und dem Irakkrieg haben die auf „War Monitoring“ spezialisierten Menschenrechtler den Kontakt zur US-Armee gesucht. Ihr Ziel ist es, die Armee vom Einsatz für die Zivilbevölkerung schädlicher Mittel abzubringen – und Verfehlungen im Nachhinein zu dokumentieren. Die Fähigkeit, Ursache und Wirkung zu differenzieren und rechtlich wie moralisch zu bewerten, ist die große Stärke von Human Rights Watch. Doch hält der Ansatz einige Fallstricke bereit.

Krieg ist keine Naturkatastrophe – es geht nicht darum, die Wirkungen eines unabwendbaren Schicksalsschlages zu minimieren. Im Krieg um die Köpfe sind Bilder von zivilen Opfern die Propagandawaffe des militärisch Unterlegenen und der Kriegsgegner – eine Art nichtmilitärisches Abschreckungspotenzial. Der Irak brauchte solche Bilder, um die Empörung über die US-Agressoren zu schüren. Der Bunker in Bagdad, der im 1991er-Golfkrieg von der US-Luftwaffe getroffen wurde und in dem rund 400 Menschen starben, wurde zu einer von Saddam Hussein hergerichteten Pilgerstätte für Friedensbewegte aus aller Welt. Je wahrscheinlicher eine große Anzahl getöteter Zivilisten ist, desto schwieriger wird es, einen Krieg gegenüber der Öffentlichkeit zu legitimieren. Und so unwahrscheinlicher wird er. Es ist gut, wenn es im Krieg weniger zivile Opfer gibt. Noch besser ist aber, wenn Kriege gar nicht geführt werden.

Die Hinweise von Human Rights Watch zu befolgen, liegt im Interesse des Pentagon, wenn es den Krieg oder die Drohung damit als Begleiter der US-amerikanischen Außenpolitik erhalten möchte. Die Menschenrechtler sind den Kriegsbefürwortern von Nutzen. Mit diesem Dilemma müssen sie leben.