„Wir fordern gesetzliche Mindestlöhne“

TAG DER ARBEIT Die Gewerkschaften seien keineswegs überholt, sagt die Bremer DGB-Chefin Helga Ziegert. Irgendjemand müsse für greifbare Ergebnisse sorgen

■ gelernte Lehrerin, ist Bremer SPD-Abgeordnete und ist Regionalvorsitzende des DGB Bremen-BremerhavenFoto: SPD

INTERVIEW CHRISTIAN JAKOB

Frau Ziegert, Ihr Bundesvorsitzender Michael Sommer spricht morgen auf der DGB-Maikundgebung in Bremen. Wird er, mitten in der Krise, wieder etwas über „soziale Unruhen“ sagen?

Helga Ziegert: Er wird sicher wieder etwas dazu sagen. Auch ich werde beim „Mahl der Arbeit“ in der Rathaushalle darauf hinweisen, dass es in der Tat soziale Unruhen geben wird, wenn die Unternehmer so weitermachen.

Womit weitermachen?

Viele Firmen in Bremen sind von der Krise betroffen. Beck’s etwa hat Probleme, weil Inbev sich mit Anheuser Busch verspekuliert hat. Das geht auf Kosten der Beschäftigten. In der Autoindustrie und den Häfen – einst waren das Globalisierungsgewinner – sieht es wegen der Krise schlecht aus. Vielen Beschäftigten droht der Verlust ihrer Jobs und Hartz IV.

Und die erheben sich dann? Wie in Frankreich?

Ob es so weit kommt wie in Frankreich, wo die Arbeitnehmer die Manager in den Schrank sperren, weiß ich nicht. Aber wenn die Unternehmer weiterhin meinen, die Arbeitnehmer müssten für die Krise zahlen und es Massenentlassungen gibt, dann wird das sicherlich nicht ruhig bleiben. Dafür werden wir dann auch sorgen.

Die Branchen, die Sie genannt haben, zählen zur klassischen Industrie. Doch nicht jeder hat einen Job dieser Art, und deswegen bekommen sie jetzt Konkurrenz: Die „Euromayday“-Bewegung tritt an, weil die Gewerkschaften die neuen, prekären Beschäftigungsverhältnisse vernachlässigen würden.

Als ich den Aufruf gelesen habe, habe ich mir schon gedacht, dass sich die taz dafür interessiert. Ich finde den Vorwurf nicht berechtigt. In der Tat gibt es immer weniger Beschäftigte in gewerkschaftlich gut organisierten Betrieben. Der Bereich prekär Beschäftigter ohne gesetzliche Absicherung, etwa bei Discountern oder Callcentern, nimmt dafür zu. Wir nehmen uns zunehmend auch dieser Gruppierungen an.

Wie denn?

Wir haben auf unserer Website Angebote für Beschäftigte in prekären Arbeitsverhältnissen, es gibt viele Anlaufstellen für LeiharbeiterInnen. Außerdem haben wir ein Netzwerk für Beschäftigte in Callcentern gegründet und fordern gesetzliche Mindestlöhne. Es ist keineswegs so, dass Tarifverhandlungen nur für Stahlwerker oder Autobauer geführt würden. Aber es ist objektiv schwierig, in Betrieben mit prekären Beschäftigungsverhältnissen einen Streik zu organisieren. In Fällen wie etwa Lidl sind auch die Verbraucher gefordert, unsere Aufgabe ist da die Öffentlichkeitsarbeit.

Kann es sein, dass die linke Euromayday-Bewegung mit ihren unkonventionellen Protestformen solchen Arbeitgebern wirksamer zu Leibe rücken kann als Sie?

Wir werden an dem gemessen, was wir auf die Beine bringen. Wir können auch mit unkonventionellen Protestformen aufwarten. Aber bei uns wird mehr erwartet als bei diesen freien Gruppen. Wenn die so etwas machen, dann wird das öffentlich beachtet und die Leute finden das gut. Aber letztlich müssen die unkonventionellen Protestformen auch zu einem greifbaren Ergebnis führen. Und das ist der Maßstab.

Was wäre denn ein greifbares Ergebnis?

Nur eine gesetzliche Regelung oder ein Tarifvertrag. Es läuft also wieder auf ein durchaus konventionelles Ziel hinaus.

Also haben Sie keine politische Konkurrenz?

Die Ziele haben wir gemeinsam, und deswegen steht diese Bewegung auch nicht im Gegensatz zu uns. Auf Dauer wird das zusammen gehen.