Historisches Testschweben am Rhein

Im rechtsrheinischen Industriegebiet wurde eine interessante Entdeckung gemacht: Ein historisches Teilstück der Wuppertaler Schwebebahn. Vor 100 Jahren wurde die neue technische Errungenschaft dort erprobt

Die Jugendstil-Schmuckstücke auf dem ehemaligen Kölner Industriegelände haben ihre besten Jahre längst überschritten. „Die nun über 100 Jahre alten Hallen in Deutz-Mühlheim sind nicht mehr im besten Zustand, sie sind baufällig“, bestätigt Walter Buschmann vom Rheinischen Amt für Denkmalpflege die misstrauischen Besucherblicke. Der Landschaftsverband Rheinland (LVR), der für den Denkmalschutz zuständig ist, will sie dennoch in ihrem einheitlichen Charakter wahren und wieder „ins Stadtganze einfügen“. Immerhin stehe ein Teil des Areals, ein eckiger Rundbau, bereits unter Denkmalschutz. „Der ist für den Rest auch beantragt“, sagt der Denkmalpfleger. Bei Betreten der Fabrikhalle weist Buschmann sofort auf die eigenwillige Architektur des Gebäudes hin. Er lenkt das Besucherauge auf den Dachgiebel: „Dies ist der letzte hölzerne Dachstuhl im Industriebereich“. Zum Abriss wäre diese Kombination aus Gusseisenträgern und Holzversatz viel zu Schade.“

Nur die wenigsten wissen, dass Köln und Wuppertal eine 100-jährige Geschichte verbindet - die der Schwebebahn. Im rechtsrheinischen Industriegebiet hat der LVR die interessante Entdeckung gemacht: ein 15 Meter langes Teilstück der Teststrecke für die Wuppertaler Schwebebahn. „Die Waggons wurden in Deutz getestet und produziert“, bestätigte Buschmann der taz. Trotz der Tragödie von 1999, die drei Tote und 40 Verletzte zur Folge hatte, gilt die Wuppertaler Hochbahn weiterhin als sicher. Dies hat sie unter anderem Eugen Lang zu verdanken, dem Erfinder des Schwebebahnprinzips. Seit 1893 forschte der Direktor der Gasmotorenfabrik Deutz am Fahrverhalten der Schwebezüge. Das Werksgelände in Deutz war dafür bestens geeignet. „Auf zwei Halbkreisen plus einer Geraden wurden die ersten Fahrversuche gemacht“, erklärt Buschmann. Die Bahn fuhr damals noch auf zwei Schienen, „hatte dadurch aber massive Kurvenprobleme“, so der Experte. Daher wurde in Wuppertal die tauglichere einspurige Variante realisiert. Entwicklung und Produktion der Schwebebahn geschah letztlich durch einen Firmenverbund aus Deutz AG, Van der Zypen & Charlier, der Mannheimer M.A.N sowie der Hüttenunion Dortmund. In Köln experimentierte Lang auch als erster mit reineisernen Waggons. Bis dato waren nämlich alle Waggons nach dem Postkutschenprinzip aus Holz gefertigt. Ab 1905 wurden die eisernen Personenwagen von der benachbarten Waggonfabrik Van der Zypen & Charlier in Serie hergestellt - ein guter Kunde war fortan auch die Deutsche Bahn. In den Fabrikhallen herrschte Hochkonjunktur. Das insgesamt 620.000 Quadratkilometer große Gesamtareal gehört zur Zeit noch der Deutz AG, der Landesentwicklungsgesellschaft Nordrhein Westfalen (LEG) und der SKI, einer Immobilientochter der Stadtsparkasse Köln. Die Zukunft sei „jedenfalls ungewiss“, so Buschmann. Er weist darauf hin, dass Köln als „geschichtsträchtige Industriestadt mehr oder weniger durch Deutz-Mülheim“ verkörpert werde, sprich: die „Kölner Industrie fand in den Vororten statt“. Deshalb will Landeskonservator Udo Mainzer vom LVR, dass beim Industriegelände Deutz-Mülheim „Denkmalpflege und Eigentümer „ an einem Strang ziehen. Schließlich gelte es, in Köln das Wichtige zu schützen, „was die Geschichte hinterlassen hat.“

JOHANNES ZENNER