A fistful of Weihnachtsmän

„The Twang“, die Band aus den Weiten der Braunschweiger Prärie, hat irgend etwas zwischen Marktlücke und neuem Genre entdeckt: Die Countryfizierung

aus Braunschweig Kai Schöneberg

Wenn das Dia von Johnny Cash leise auf dem Projektor festschmort und Bassist Marshall trocken „Feuerbestattung“ murmelt, wenn die ganze Band einen Voll-Break mitten in „Ghostbusters“ einlegt und Sänger Hank seinen Gitarristen Steve fragt, wieso er seinen Ektoplasma-Gürtel immer noch nicht angelegt hat, dann rollt der Twang-Truck auf vollen Touren.

Eigentlich sind die sechs von „The Twang“ ja Journalisten, Realschullehrer, Doktoranden oder Ingenieure so um die 30. Für ein Leben mit Roadies und Groupies hat es für die Band aus den Weiten der Braunschweiger Prärie dann doch nicht gereicht. Von ihrer ersten CD „Countryfication“ ist gerade mal „irgendwas in den Tausendern“ verkauft worden, sagt Gitarrist Beano van Twang, im wahren Leben Banker.

Das ist eigentlich sehr schade. „Countryfication“ ist für manche die Entdeckung eines neuen Musik-Planeten, live – wie zuletzt im “Bei Chez Heinz“ in Hannover zu sehen – sind die Country-Coverer wirklich ganz großes Band-Tennis. The Twang haben nämlich irgendetwas zwischen Marktlücke und vielleicht sogar ganz neuem Genre entdeckt: Die Countryfizierung. Das heißt, dass sie (meist) schlimme Welthits von Britney Spears („Oops, I did it again“), Billy Idol („White Wedding“) oder Village People („YMCA“) durch den Western-Quark rühren. Und zwar so, dass nicht jeder Depp gleich merkt, dass da gerade ein feiner Abklatsch von „Sympathy for the devil“ nudelt. Die neue Refrain-Melodie von „I shot the sherrif“ hat geradezu die Qualität eines Ferrari-Songs – das ist ein Song, der so viel einspielt, dass man sich davon einen Ferrari kaufen kann.

Das Gute: Auch Country-Hasser dürften auf dem twangschen „Highway to Hell“ ihren Spaß haben. Country ist seit vielleicht fünf Jahren und immer noch Kult, zweitens muss sich niemand an ungewohntes Song-Material gewöhnen. Die Besetzung ist die einer klassischen Rock-Band, ab und an mit Slide-, dann mit Paddle Steel-Gitarren-Sound. „Wir spielen keine Nashville-Ergüsse und keinen Country-Pop, mehr so die puristische Schiene“, erklärt Gitarrist Beano.

Meist ist es auch nicht schwer, die „Licence to cover“ zu bekommen. Bislang hat sich nur das Management von Frank Farian gesträubt: Der Gründer der Clon-Band Boney M. verbot den Twangs – anders als Sting, ACDC oder Radiohead – „Daddy Cool“ nachzuspielen. „Der Grund war, der Song sei künstlerisch zu wertvoll – dabei hat Daddy Cool gerade zwei Textzeilen“, sagt Sänger Hank. Gibt’s also nicht auf CD und nur, eigentlich illegal, auf wenigen Konzerten.

Und jetzt also „A fistfull of presents“. Volkes Stimme in Form von ausgerechnet einem Verdi-Funktionär hatte unlängst gefordert, man solle das Weihnachtsgedudel aus Deutschlands Fußgängerzonen bannen – oder wenigstens auf Summ-Lautstärke dimmen. Ja, als Weihnachtsmänner verkleidete Studenten, die „Süßer die Glocken“ auf dem Saxofon spielen, sollten tatsächlich mit rauchenden Colts aus dem öffentlichen Raum vertrieben werden.

Die Heilig-Abend-CD von Twang ist jedoch eine andere Baustelle. „Wir feiern seit fünf Jahren Western-Weihnachten im Merz Club in Braunschweig“, sagt Beano. „Da wurde es Zeit“. Es wurde Zeit. Angriff ist die beste Verteidigung, dachte die Twang-Ranch, und streckt dem Konsum-Terror eine brandneue ziemlich unschlagbare Waffe entgegen: Die 20 Minuten lange Zwerg-CD „A Fistful of Presents“. Natürlich mit dem gruseligsten aller Lametta-Lieder: „Last Christmas“ von George Michael, mit Walking Bass und Slide Guitar statt Schellen und Stimmen-Weichmacher. „Silent Night“ als Polka, ein Banjo schrägt „Jingle Bells“.

Das Machwerk bringt Klasse statt Kosakenchöre unter den Baum: Wenn „Santa Claus back in town“ ist, sieht der Hörer den greisen Mann förmlich durch die Fuzo Braunschweigs galoppieren. Es ist: tatsächlich den Menschen ein Wohlgefallen.

„A fistfull of presents“ (5 Euro zzgl. Versandkosten) gibt‘s nur im Internet unter www.twang.de