Da waren‘s nur noch zwölf

Die „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ zerlegt sich selbst. Drei Mitglieder des NRW-Landesvorstands sind zurück getreten. Schlammschlacht im Führungsgremium: „Das ist Nötigung“

VON KLAUS JANSEN
UND MARTIN TEIGELER

Die neue „Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit“ (WASG) zerfleddert. Wenige Wochen nach dem Beschluss, zur NRW-Landtagswahl am 22. Mai 2005 anzutreten, gehen den Regierungskritikern die Führungsfiguren aus. Bereits drei Mitglieder haben den frisch gegründeten 15-köpfigen Landesvorstand im Streit verlassen. WASG-Landessprecher Hüseyin Aydin bestätigte die Rücktritte. Gestern Abend wollte die Landesspitze über das weitere Vorgehen mit den Sprechern der WASG-Regionalgruppen beraten.

Nach taz-Informationen hat unter anderem der Bottroper Landesvorstand und ehemalige Bochumer Opel-Betriebsratsvorsitzende Peter Jaszczyk der WASG den Rücken gekehrt. Grund für den Austritt ist ein Streit über die Aufnahme von 16 Bochumer Opel-Arbeitern in die Regionalgruppe Bochum: Die von Jaszczyk angeworbenen Kollegen sollten, obwohl nicht alle in Bochum wohnhaft, in einer gemeinsamen Opel-Betriebsgruppe der WASG-Regionalgruppe beitreten. Der Landesvorstand verschob die Entscheidung darüber auf den 15. Dezember – bereits am 9. Dezember wird aber die neue Führung der WASG-Regionalgruppe gewählt. Jaszczyk drängte beim Landesvorstand auf eine schnellere Entscheidung, bekam jedoch vom Landeschef Aydin jedoch einen Korb: „Peter so nicht“, giftete Aydin in einer E-Mail. Er könne über den Status der Opelaner nicht allein bestimmen.

Aydins harsche Antwort war für Jaszczyk Grund genug zum Rücktritt: „Solche Basta-Politik kenne ich von Gerhard Schröder“, so das enttäuschte Ex-SPD-Mitglied. „Ich habe gedacht, in der Wahlalternative entsteht etwas Neues. Statt dessen entdecke ich Strukturen und Umgangsformen, gegen die ich immer angekämpft habe“, sagte Jaszczyk der taz. Der gestrigen Landesvorstandssitzung wollte Jaszczyk fern bleiben. Sollte allerdings eine Entscheidung zugunsten der Bochumer Opelaner fallen, schließe er einen Rücktritt vom Rücktritt nicht aus.

Landessprecher Aydin war jedoch vor Beginn der gestrigen Sitzung entschlossen, Jaszczyks Rücktritt anzunehmen. „Das liegt mir schriftlich vor, natürlich nehme ich das an“, sagte er. Peter Jaszczyk gehe es offenbar nur um „persönliche Eitelkeiten“. Auch der Wuppertaler WASG-Landesvorstand Bernhard Sander kritisierte Jaszczyk: „Er hat versucht, den Vorstand zu nötigen.“ Damit er sich selbst und der Wahlalternative geschadet.

Jaszczyk ist bereits das dritte Mitglied, das den erst am 17. Oktober gewählten Landesvorstand schon wieder verlassen hat. Zuvor waren der Kölner Hans-Georg Pieper und die Krefelderin Sarah Tapp abgetreten. Pieper hatte gegen eine angebliche Unterwanderung der WASG durch die Sozialistische Alternative (SAV) angekämpft. „Die Ortsgruppen Aachen und Köln werden von denen dominiert“, sagte Pieper. Der WASG-Landesvorstand sah das Problem nicht. Pieper trat zurück. Tapp war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Für Peter Jaszczyk findet innerhalb der Wahlalternative ein Machtkampf statt: Die „Apparatschiks“ um den IG-Metall-Sekretär Aydin versuchten, die durch den Bochumer Streik politisierten Opelaner auszubremsen. „Die nehmen Rücksicht auf die Gewerkschaften und scheuen eine Auseinandersetzung. Die wollen nur ein gemütliches Landtagsmandat und ein paar Referentenpöstchen“, sagte er. Die Landesführung habe Angst, von kampfeslustigen Arbeitern „gekapert“ zu werden – dabei sei es gerade im Hinblick auf den Landtagswahlkampf wichtig, die Dynamik des Arbeitskampfes zu nutzen.

Landeschef Aydin bestreitet jedoch, die Opelaner ausgrenzen zu wollen. Er sei für die Bildung einer Betriebsgruppe: „Die Opel-Kollegen sind herzlich willkommen“, sagte er. Wenn die Wahlalternative „das Unmögliche schaffen“ und 2005 in den NRW-Landtag einziehen wolle, müssten alle Mitglieder zusammen stehen. Auch Vorstandskollege Bernhard Sander glaubt, dass die Arbeit in Bochum und Bottrop auch ohne Jaszczyk weiter gehen werde. Er bedaure zwar den Verlust, der Landesvorstand könne „sich aber nicht alles bieten“ lassen. Zur Not müsse Jaszczyk mitsamt seines „Bottroper Familienklüngel“ eben gehen. Die Wahlalternative durchlaufe zur Zeit den „normalen Häutungs- und Reifungsprozess einer Partei“, findet Sander. „Es ist ja kein Ziel an sich, auf ewig ein bunter Haufen zu bleiben.“