DIE USA HABEN KEINEN GRUND, ÜBER DIE HAMBURGER JUSTIZ ZU KLAGEN
: Freilassung mit US-Gütesiegel

John Ashcroft, der US-Justizminister, zeigte sich „enttäuscht“ über die Hamburger Justiz. Ganz so, als hätte seine Regierung mit der überraschenden Freilassung des als Terrorhelfer angeklagten Abdelghani Mzoudi überhaupt nichts zu tun. Doch vermutlich haben die USA die sensationelle Wende im Prozess bewusst herbeigeführt oder zumindest in Kauf genommen. Beweisen kann man dies derzeit nicht, aber es ist doch sehr wahrscheinlich.

Binalshibh, einer der Hauptdrahtzieher der Anschläge des 11. September, wird schon seit rund einem Jahr in US-Gewahrsam verhört. Bisher jedoch haben die deutschen Behörden Binalshibhs Informationen nicht in die Verfahren gegen Mzoudi und seinen Freund Motassadeq einbringen können. Die Aussagen wurden auf Drängen der USA vielmehr für die Öffentlichkeit – und damit den Prozess – gesperrt und durften nur für die Terrorabwehr benutzt werden. Die Bundesregierung weiß: Verstößt sie gegen solche Vorgaben, erhält sie künftig von US-Stellen keine heiklen Informationen mehr.

Umso überraschender die jetzige Wende. Plötzlich teilt das BKA – eine Regierungsbehörde – dem Hamburger Gericht mit, es gebe Informationen, dass Mzoudi nicht zur Terrorzelle gehörte und auch nichts von den Anschlägen wusste. Wenn diese Informationen tatsächlich, wie allgemein vermutet, auf Aussagen von Binalshibh zurückgehen, dann liegen zwei Schlüsse nahe: Die BKA-Informationen sind kaum gegen den Willen der USA offengelegt worden. Und die Informationen haben ein Gütesiegel in puncto Glaubwürdigkeit. Denn warum sollten die USA aus der Menge der Aussagen Binalshibhs gerade diejenigen freigeben, die Mzoudi (und auch Motassadeq) entlasten.

Vielleicht stecken diplomatische Winkelzüge dahinter, vielleicht wollten die US-Behörden aber wirklich nur verhindern, dass ein Unschuldiger verurteilt wird. Trotz aller kruden Entwicklungen der letzten Zeit sind die Vereinigten Staaten immer noch ein Rechtsstaat – auch wenn der US-Justizminister jetzt nicht dazu stehen will.

CHRISTIAN RATH