Sparen statt Baden gehen

Der Regionalverband Ruhrgebiet (RVR) stellt eine Studie zu Gewerbesteuern in der Region vor. Die Kommunen müssten sparen und Schwimmbäder schließen, glaubt RVR-Direktorin Christa Thoben

AUS ESSEN ELMAR KOK

Um den nachhaltigen Strukturwandel im Ruhrgebiet zu schaffen, müssten die Gewerbesteuersätze in der Region nachhaltig gesenkt werden. Das forderten gestern die Gutachter Martin Junkernheinrich und Gerhard Micosatt, die in Essen ihre Studie über die Hebesätze der Gewerbesteuern im Ruhrgebiet vorstellten. Auftraggeber der Studie ist der Regionalverband Ruhrgebiet (RVR), der mit den Ergebnissen auch plakativ umzugehen weiß: Die Gewerbesteuer in Bottrop ist genau so hoch, wie in München oder Frankfurt, teilte der RVR mit. Die Ruhrgebietsstädte Duisburg, Essen, Gelsenkirchen und Oberhausen belasteten ihre Unternehmer genau so wie die Hansestadt Hamburg.

„Zwischen Standortqualität und dem Hebesatz der Gewerbesteuer klafft eine deutliche Lücke“, fasste Junkernheinrich die Ergebnisse seiner Studie gestern zusammen. Beispielsweise lägen die Gewerbesteuern von Essen und Oberhausen rund fünf Prozent über dem Landesdurchschnitt. Damit gerieten die Ruhrgebietskommunen in einen Teufelskreis, der nur schwer zu durchbrechen sei. Denn pro Einwohner drücken die Städte in der Region 2.507 Euro Schulden, während beispielsweise die Region Mittelrhein pro Kopf rund 500 Euro niedriger verschuldet sei. „Der Patient hat sich höher verschuldet als der Gesunde“, resümiert Junkernheinrich. Da liege es für einige Kommunen durchaus nahe, die schnellen Einnahmen aus einer relativ hohen Gewerbesteuer zu generieren.

Um aus der Schuldenfalle heraus zu kommen, rät Junkernheinrich den Kommunen, die Gewerbesteuer zu senken, um für Gewerbetreibende attraktiver zu werden. Aber auch die Gemeinden selbst müssten sich reformieren, „und da ist der Personalhaushalt nicht außen vor“, sagt der Forscher.

Christa Thoben, erste Direktorin des aus dem Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR) hervorgegangenen RVR, lobt vor allem ihren Verband für das Werben der Unternehmer. Der Auftritt des RVR auf der internationalen Immobilienmesse „ExpoReal“ sei ein „Lernprozess“, der das gemeinsame Vermarkten von Flächen im Ruhrgebiet einstudiere und auf Dauer ein Erfolg sei. Ansonsten empfiehlt Thoben den Kommunen, sich nicht auf Kosten der Gewerbesteuer zu finanzieren, sondern die Möglichkeiten des „Neuen Kommunalen Finanzmanagements“ (NKF) zu nutzen, um sich konkurrenzfähig aufstellen zu können. NKF führt dazu, dass Kommunen Bilanzen, ähnlich denen von Unternehmen, präsentieren müssen und wird ab 2009 Pflicht. Ansonsten setzt Thoben zur Kommunalsanierung ganz auf die Leidensfähigkeit der Einwohner des Ruhrgebiets: Es müsse möglich sein, bei der Versorgung der Bürger auch von Standards abzuweichen. „Manchmal tut es auch ein bisschen weniger“, sagte sie gestern. Zudem müsse innerhalb der einzelnen Gemeinden nicht alles vorrätig sein, was man braucht, sagte sie und forderte die Gemeinden dazu auf, Schwimmbäder zu schließen und die „früh verrenteten, gesunden Bürger müssen sich engagieren, beispielsweise in nachbarschaftlichen Hilfen oder in der Betreuung an Schulen“, sagte Thoben.

Dass das Gemeinden nicht helfen wird, die vor allem an einem Unternehmen hängen, verdeutlichen die Gewerbesteuerzahlen aus Oberhausen und Essen. Während wegen der Babcock-Pleite die Einnahmen in der Gemeinde Oberhausen von 2002 auf 2003 um 61,2 Prozent zurückgingen, stiegen dank guter RWE-Ergebnisse die Gewerbesteuereinnahmen in Essen um 73,2 Prozent.