Jungpolitiker kennen keinen Fraktionszwang

Zehntklässler dreier Kölner Schulen erhalten Einblick in die Ratsarbeit. Unter der Leitung des Oberbürgermeisters bringen die Schüler-Fraktionen Anträge ein, diskutieren lebhaft und diszipliniert – und rechnen mit deren Umsetzung

KÖLN taz ■ Nicht für die Schule lernen wir, sondern fürs Leben. Diese Weisheit setzten SchülerInnen dreier Kölner Schulen in die politische Praxis um. Am „Tag der Jugend im Rathaus“, der gestern zum vierten Mal stattfand, trafen sich rund 80 Jugendliche der 10. Klassen der Montessori-Hauptschule in Bickendorf, der Gesamtschule Rodenkirchen und des Gymnasiums Genovevastraße zu einer simulierten Sitzung des Stadtrates. Geleitet wurde sie von Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU). Auf der Tagesordnung standen Anträge zum Thema Jugend, die die drei von den Schulen gebildeten Fraktionen selbst erarbeitet und eingebracht hatten.

„Das war richtig super“, begeisterte sich Simone Hacke nach der rund eineinhalb Stunden dauernden Ratssitzung. Die 15-jährige Schülerin der Gesamtschule Rodenkirchen hatte als Fraktionssprecherin der „Internationalen Kulturpartei“ (IKP) den Antrag für die Einrichtung eines Internationalen Kommunikationszentrums für Jugendliche eingebracht. Im Jugendparlament wurde das Projekt lebhaft diskutiert. Umstritten in der allgemein sehr sachlichen und ruhigen Debatte war vor allem, ob die Jugendlichen selber einen Beitrag zahlen sollen. Nur die Fraktion „Peace in Köln“ (PIK) von der Montessori-Hauptschule stimmte dagegen. Doch die Jung-Politiker hielten sich nicht immer an die Fraktionsmeinung. Als der Oberbürgermeister die Frage abstimmen ließ, ob das Zentrum zentral oder dezentral organisiert werden solle, gab‘s eine Überraschung. Ein PIK-Mitglied stimmte für die zentrale Lösung, obwohl seine Fraktion das ablehnte. Was im wahren Ratsalltag problematisch wäre, sorgte im Planspiel nur für Heiterkeit im Plenum.

„Wir haben einen Einblick in die Politik erhalten“, freute sich Jessica Schäming von der Gesamtschule Rodenkirchen. Etwas kritischer sah das Planspiel im Ratssaal Anna Nikiforova von der „Demokratischen Partei Genoveva-Gymnasium“ (DPG). Sie monierte, dass die gestellten Anträge nur ein Spiel waren. „Ich wünsche mir eine Umsetzung in die Realität“, forderte die Gymnasiastin. Möglicherweise wird ihr Wunsch wahr. „Wir werden auf jeden Fall die Anträge in unserem jugendpolitischen Arbeitskreis diskutieren“, versprach SPD-Chef Jochen Ott beim anschließenden Empfang.

Raoul Emons von der PIK-Fraktion rechnet fest damit, dass die Anträge alle in die Tat umgesetzt werden. „Die Chancen sind sehr hoch, so bei 75 Prozent“, schätzte Emons, der später einmal Ratsherr werden will.

Das Schlusswort im Rat hatte wie immer der Oberbürgermeister. Er lobte die große Disziplin der jungen Politiker als beispielhaft. Zwischenrufe und Polemiken gab‘s auf der fiktiven Ratssitzung nämlich nicht. Die anwesenden Ratsmitglieder rief Schramma daher auf: „Geht in eure Fraktionen und erzählt davon.“ Thomas Spolert