Hochfrequenz-Sparen

HÖB-Konsolidierungsvorschläge der Expertenkommission auf dem Tisch. Bücherhallen in St. Pauli, Dulsberg und Stellingen sollen geopfert werden

„Die Bücherhallen haben sich nicht analog zu ihren Strukturproblemen entwickelt“

Von Petra Schellen

Wenn Bücher reden könnten, würde sie selber sagen, wo sie an dringendsten gebraucht werden. Da dem aber nicht so ist, werden fürs erste Politiker und Experten entscheiden: Die Schließung der Büchereien in St. Pauli, Stellingen und Dulsberg hat die Expertenkommission zur Konsolidierung der Hamburger Öffentlichen Bücherhallen (HÖB) vorgeschlagen; als Gründe werden fehlende Frequentierung und mangelnde Rentabilität genannt.

Sie halte die Schließungsvorschläge für moderat, sagt HÖB-Chefin Hella Schwemer-Martienßen, die darauf verweist, dass die Standorte Steilshoop, Jenfeld und Mümmelmannsberg immerhin erhalten bleiben. Und doch stellt sich die Frage, ob es in Zeiten von PISA und der Diskussion über Parallelgesellschaften ein kluges politisches Signal ist, Leseförderung – die in geringem Umfang gemeinsam mit den ebenfalls darbenden Stadtteilkulturzentren fortgeführt werden soll – zu streichen.

„Wir werden den bisherigen Service nicht mehr erbringen können,“ sagt Schwemer-Martienßen darauf; die seit zehn Jahren stagnierenden Zuwendungen sowie die für 2005/2006 zusätzlich zu erbringenden 900.000 Euro ließen da keinen Spielraum. Stattdessen sind die Zusammenlegung der Bücherhallen Sasel und Poppenbüttel sowie die Konzentration der westlichen Zweigstellen im Elbe-Einkaufszentrum (ab 2007) und am Blankeneser Bahnhof (ab 2009) geplant.

„Diese Maßnahmen sind nötig, um das strukturelle Problem der HÖB, dessen steigende Kosten nicht durch staatliche Zuwendungen zu decken sind, zu lösen“, sagte Kultursenatorin Karin von Welck bei der gestrigen Präsentation des Berichts. Die HÖB hätten sich in den vergangenen Jahren nicht analog zur Mehrung ihrer strukturellen Probleme entwickelt, und das müsse jetzt nachgeholt werden.

Und doch werden auch die jetzt veranschlagten Maßnahmen die HÖB binnen zwei Jahren nicht defizitfrei machen; im Gegenteil: Investitionen sowie kurzfristige Einnahmeverluste sind zu erwarten. Die demnächst zu installierenden Selbstverbuchungsautomaten etwa sollen aus Sondermitteln des Informations- und Kommunikations-Fonds finanziert werden. Auch die Einführung einer Leihgebühr von 50 Cent für jedes audiovisuelle Medium werde einen vorläufigen Rückgang der Ausleihen um 40 Prozent erzeugen. Doch dies sei aller Erfahrung nach vorübergehend, so die Senatorin.

Als weitere Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmesituation der HÖB sind die Anhebung der Säumnisgebühren sowie Gebühren für die Rückgabe in der falschen Stadtteilbibliothek avisiert. Vorschläge, die nur in Teilen neu sind und, so Schwemer-Martienßen, die die von der Kommission erwarteten Mehreinnahmen von 700.000 Euro kaum erbringen werden. „Vielleicht kommt man auf die Hälfte“, so die HÖB-Chefin, aber sie werde sich überraschen lassen.

Konsens herrscht dagegen bezüglich einer kundenfreundlicheren Gestaltung der Öffnungszeiten: Ab März kommenden Jahres soll zunächst die Zentralbibliothek am Hühnerposten sieben bis zu acht Wochenstunden länger geöffnet sein; dies wird voraussichtlich den Sonnabend sowie einen weiteren Halbtag betreffen, sodass es keinen Komplett-Schließungstag mehr gäbe. Stufenweise sollen die Zweigstellen folgen.

Schadensbegrenzung und Akzeptanz des Unvermeidlichen übt die HÖB-Chefin, die ihre Einrichtung „keinesfalls als Sparopfer“ aufgefasst wissen will. Das sehen die kulturpolitischen SprecherInnen von SPD und GAL anders: Ein „flächendeckendes Netz an Stadtteilbibliotheken“ fordert Dorothee Stapelfeldt (SPD), die Rücknahme der Kürzungen Willfried Maier (GAL). Diskussionsstoff also en masse. Doch noch ist Zeit: Eine Anhörung im Kulturausschuss ist für kommenden Dienstag, die Entscheidung des HÖB-Stiftungsrats für Donnerstag geplant.