Jukebox - Der musikalische Aszendent

Hits auf die Stimmbänder geschrieben

So einfach ist das manchmal: Man muss nur mal singen von ein paar Stiefeln, die im Notfall hinwegtrampeln über unartige Jungs, dann ein, zwei Jahrzehnte warten, und schon ist man eine feministische Ikone auf Lebenszeit. Es ist natürlich auch ganz hilfreich, wenn man Papas Tochter ist und einem ein Lee Hazlewood ein paar unsterbliche Melodien auf die Stimmbänder schreibt. Aber das allein erklärt nicht, warum wir uns von all den singenden Turmfrisuren in gebleichtem Blond aus den späten Sixtys noch am ehesten an Nancy Sinatra erinnern und nicht an, sagen wir mal, Dusty Springfield, die zwar eindeutig mehr Stimme hatte, aber ohne Quentin Tarantino womöglich heute noch Haarspraydosen sortieren würde. Nein, Sinatra hatte das, vielleicht ja ererbte Talent für die rechte Inszenierung zur richtigen Zeit: Der Übergang vom Vamp zur Mutter gelang ihr ebenso schwerelos wie der von der patriotischen Frontunterhalterin in Vietnam zur politischen Aktivistin. Selbst ihr Auftritt als Nacktmodell für den Playboy hatte Stil – schließlich war sie da schon 55. Auf ihrer letzten Platte wird die mittlerweile 64-Jährige von Musikern wie Morrissey, den Mitgliedern von US (auch nicht mehr die Allerjüngsten), Thurston Moore von Sonic Youth oder Joey Burns und John Convertino von Calexico unterstützt. Jon Spencer singt gar ein Duett mit ihr und gibt sich Mühe, das sonore Timbre ihres alten Partners Hazlewood nachzuempfinden, aber Jarvis Cocker, der von Pulp, hat ihr die vielleicht schönsten, weil passendsten Zeilen geschrieben. „Don’t Let Him Waste Your Time“, rät sie nun allen Geschlechtsgenossinnen: Er kann sich seine Freiheiten nehmen, er kann sich seine Auszeiten nehmen, und dann kann er sie mal da küssen, wohin die Sonne niemals scheint. Eine erwachsene Frau hat schließlich keine Zeit mehr, sich großartig damit aufzuhalten, Jungs mit den Stiefeln Benehmen beizubringen.

THOMAS WINKLER