„Wir können einfach abkupfern“

Für Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn liefert die Natur die besten Beispiele dafür, wie wir sparsamer mit den Ressourcen Wasser oder Energie umgehen können

taz: Frau Bulmahn, sind Sie heute schon der Bionik begegnet?

Edelgard Bulmahn: Heute morgen in der Dusche. Sie ist nach bionischen Prinzipien beschichtet. Die Oberfläche ist rau, so perlt das Wasser samt Schmutz besser ab. Das ist der berühmte Lotus-Effekt, und mir erleichtert er das Saubermachen. Wir haben vieles kopiert, was die Natur in Millionen Jahren entwickelt hat. Auch den praktischen Klettverschluss zum Beispiel: Die Idee dazu kam dem Belgier Georges de Mestral, als er zum x-ten Male nach einem Spaziergang mit seinem Hund Kletten aus dem langen Fell des Tieres entfernen musste. Inzwischen ist das Lernen von der Natur aktueller denn je.

Sie fördern die Bionik auch in dem von Ihrem Ministerium neu aufgelegten 800-Millionen-Euro-Programm „Forschen für die Nachhaltigkeit“. Was erhoffen Sie sich davon?

Das Geld ist gut angelegt. Wir dürfen unsere natürlichen Ressourcen nicht einfach weiter ausbeuten. Je sparsamer wir sind, desto besser. Da liefert uns die Natur die besten Beispiele. Wir können einfach abkupfern, uns viel versprechende Patente für den Menschen nutzbar machen. Deshalb fördern wir Wissenschaftler, die den Einfallsreichtum der Natur durchforsten. Und so wollen wir unserem Ziel näher kommen: 2010 Exportweltmeister auf den Märkten für Umwelttechnik zu werden. Immerhin sind wir schon auf Platz zwei.

Und welche Risiken birgt die Bionik?

Die Natur hat sich in Millionen Jahren bewährt. Von Risiko keine Spur. Wir nutzen doch nur die Erfahrung der Tiere und Pflanzen.

Aber der Weg vom Beobachten eines Vogels bis zum Test eines energiesparenden Fliegers im Windkanal ist häufig weit. Und zufällig. Wäre es nicht besser, die verbrauchsarme Spülmaschine zu fördern?

Bionik ist eigentlich keine komplizierte Technik. Schon gar nicht sollte man sie gegen andere Forschungswege ausspielen. Mit ihr kann man schließlich auch Wasser sparen – beim Waschen oder Färben von Textilien. Vor dreißig Jahren hat niemand daran geglaubt, dass Autos irgendwann mit einem Liter Benzin pro Kilometer auskommen könnten. Ohne staatliche Forschungsgelder wäre es nie so weit gekommen. Wir werden noch staunen, was die Bioniker ertüfteln, um unsere knapper werdenden Ressourcen zu schonen.

Sie propagieren – wie die gesamte rot-grüne Regierung – damit Nachhaltigkeit. Sehen Sie keinen Widerspruch zur modernen, schnelllebigen Gesellschaft?

Wenn man glaubt, durch kurzlebigen, schnellen Konsum das Lebensglück zu finden, dann halte ich das für eine Illusion. Eine moderne Gesellschaft zeichnet sich nicht dadurch aus, dass man alles schnell wegwirft. Wir dürfen nicht nur an das Jetzt denken, sondern müssen auch das Morgen im Blick haben.

INTERVIEW: JANA BACHMANN
CHRISTIAN KOLB