Gefährliche Waisenkinder

Das Leipziger Bundesverwaltungsgericht verhandelt über das Verbot des Aachener Spendensammelvereins Al Aqsa. Der hatte soziale Projekte in Palästina unterstützt

LEIPZIG taz ■ Innenminister Otto Schily hat vor zwei Jahren den Aachener Al Aqsa e. V. verboten, weil der die palästinensische Terrororganisation Hamas unterstütze. Jetzt klagt Al Aqsa beim Leipziger Bundesverwaltungsgericht.

Die Chancen, das Verbot zu kippen, stehen nicht schlecht. Der Verein sammelte bundesweit Geld und schickte es an soziale Projekte im Gaza-Streifen und im Westjordanland. „Wir haben vor allem palästinensische Waisenkinder unterstützt“, sagt Mahmoud Amr, der jordanische Vorsitzende des Vereins, ein Politologe und Übersetzer. Nach Ansicht des Innenministeriums sind die unterstützten Projekte allerdings der Hamas zuzurechnen. „Auch wer die sozialen Tätigkeiten von Hamas mitfinanziert, unterstützt eine Organisation, die Terroranschläge begeht“, argumentierte Michael Örder, der Anwalt der Bundesregierung, „die Hamas kann das ersparte Geld dann anderweitig verwenden, außerdem gewinnt sie mit sozialen Projekten an Prestige.“ Dem Bundesverwaltungsgericht schien dies gestern nicht zu genügen. Der vorsitzende Richter Franz Bardenhewer erläuterte in der Verhandlung, dass die Unterstützung von sozialen Projekten wohl nur dann zu einem Vereinsverbot führen könnte, wenn damit etwa gezielt die Familien von Selbstmordattentätern finanziert werden.

„Wir haben die Unterlagen noch einmal geprüft und können versichern, dass der Al Aqsa e. V. keine Kinder von Attentätern unterstützt hat“, versicherte daraufhin Klägeranwalt Christian Paschen. Und der Vereinsvorsitzende Amr stellte klar: „Wir unterstützen zum Teil Kinder von ‚Märtyrern‘, aber darunter verstehen wir Palästinenser, die von der israelischen Armee getötet wurden.“ Großen Raum nahm gestern die Frage ein, ob der Al Aqsa e. V. ein Ausländerverein ist – denn dann könnte er leichter verboten werden als ein normaler Verein. Anwalt Paschen betonte, dass die Mehrheit der Mitglieder aus deutschen Staatsbürgern besteht, weil sich viele der arabischstämmigen Mitglieder einbürgern ließen. Und im dreiköpfigen Vorstand sitze neben dem Jordanier Amr noch ein weiterer Deutscher und ein Belgier, der als EU-Bürger den Deutschen gleichstehe. Das Innenministerium hielt dem entgegen, Amr habe den Verein seit seiner Gründung im Jahr 1991 geprägt, deshalb komme es nur auf seine Staatsbürgerschaft an.

Schon im Juli 2003 hatte das Gericht Schilys Verbot ausgesetzt, da ihm die Beweislage zu dünn erschien. Der Innenminister war empört, hat inzwischen jedoch neue Unterlagen nachgereicht. Die Verhandlung endete gestern erst nach Redaktionsschluss, das Urteil wird in einigen Tagen verkündet. Im Moment ist der Al-Aqsa-Verein noch inaktiv. 2003 hatte das Bundesverwaltungsgericht das Verbots zwar zunächst ausgesetzt. Danach begann aber das Finanzamt, die Gemeinnützigkeit anzuzweifeln. Das Konto mit rund 340.000 Euro ist beschlagnahmt. CHRISTIAN RATH