Wer‘s gern glaubt

Mit „Ein Leben für den Frieden“ setzt das ZDF (20.15 Uhr) Papst Johannes XXIII. ein Denkmal. Der Film geriet etwas arg andächtig

VON JAN FREITAG

He, den kennt man doch! Ist das nicht Helmut Schmidt oder, Moment, nein: Das ist Lou. Lou Grant! Dieser wuselige Lokalchef der Los Angeles Tribune, stets den Kaffeebecher zwischen den Fingern und den Rest des Körpers ständig in Bewegung. So kennen einige Ältere Edward Asner. Jetzt, mit 74, spielt der knorrige Schauspieler einen Papst und irgendwie doch fast die gleiche Figur wie zwischen 1977 und 1981 im Fernsehen. Johannes XXIII. heißt sie. Und so wie Lou Grant einst das Gewissen der Reporterzunft schlechthin darbot, verkörpert der Pontifex des Kalten Krieges das Gute des Katholizismus. Ebenfalls sympathisch und reformeifrig. Und leider etwas langweilig.

„Ein Leben für den Glauben“, das ZDF-Epos über Johannes XXIII. hat damit das Problem eines jeden religiösen Films auf deutschen Bildschirmen: Wir sind eben einfach nicht mehr gläubig genug für Kirchenfilme ohne Action, Sex und Humor. Schon „Spartacus“, „Ben Hur“ oder „Moses“ in der Technicolor-Epoche, mehr aber noch „Der Name der Rose“, „Bruce Allmächtig“, „Dogma“, „Die unbarmherzigen Schwestern“ und vor allem „Luther“ in der Dolby-Surround-Ära zeigten, dass es auch bei göttlichen Stoffen knallig, lustig, spannend oder wenigstens skurril zuzugehen hat.

Da nützt es wenig, dass sich das Zweite auf 13 Millionen Zuschauer und 47 Prozent Sehbeteiligung bei RAI Uno beruft – Italien reagiert auf Religiöses vermutlich aufgeschlossener als Deutschland. Wo Kirche die Gesellschaft tiefer durchdringt als hierzulande (mal abgesehen von Bayern), sorgen die Mysterien von Papstwahl, Glaubenskongregationen und vatikanischem Ränkespiel sicher für einen größeren Thrill als im Land massenhafter Kirchenaustritte. Doch dem hiesigen Durchschnittsatheisten oder der Pro-forma- Protestantin erschließen sich die erschütterten Gesichter versammelter Kardinäle einfach nicht, wenn der neu gewählte Papst ein Vatikanisches Konzil ankündigt. Wahnsinn, ein Konzil! Es lacht ja außer Altphilologen auch keiner über Altphilologenwitze (sollte es die geben). Und warum die Ankündigung jenes Konzils nun so schockt, bleibt dann auch noch im Verborgenen.

Immerhin erfährt man im Film, dass es davon zuvor erst eins gab, dass weißer Rauch aus irgendeinem Schornstein im Vatikan aufsteigt, wenn ein Papst gewählt wurde, und schwarzer, wenn nicht. Und es heißt übrigens das Konklave, nicht die. Derlei Randinfos sind gar nicht so unwichtig, denn „Ein Leben für den Frieden“ ist vor allem eines: ein Lehrfilm.

Und genau darin entfaltet er auch seinen größten Mehrwert. Man kriegt in der Tat einen ungewohnten Einblick in die Abläufe am Heiligen Stuhl, wie es da so zugeht, dass dort auch mal gelacht und gevöllert wird und die Kleidung zumeist knallrot ist. Und so ganz nebenbei kriegt man noch ein wenig über die Situation von Welt und Kirche während der Amtszeit Johannes XXIII. mit. Dass er so etwas wie der erste Medienpapst war, dass er die Kubakrise entschärft haben soll, dass er die ersten Nichteuropäer zu Kardinälen machte, zaghafte Schritte auf den Kommunismus machte und so eine Art Mischung aus Robin Hood und JFK der Kurie darstellte.

Das alles reicht eigentlich nicht aus, um sich fast zwei Stunden vor das Fernsehgerät zu hocken – schon gar nicht für Frauen, denn die kommen (wie Sidney Rome) nur als Staffage vor. Trotzdem geht die Zeit doch recht schnell vorbei. Und für so richtig Gläubige dürfte er geradezu packend sein. So wie Lou Grant für Journalisten.