The Dusel is back

Bayern München setzt seine fortunöse Erfolgsserie mit dem 1:0 gegen komplett glücklose Stuttgarter fort

MÜNCHEN taz ■ Bilder produziert dieser FC Bayern, so anrührend, so kitschig, wie sie sich kein „Traumschiff“-Drehbuchregisseur trauen würde zu erfinden. Am Mittwoch die latent jugendgefährdende Kahn-Kuffour-Kuschelnummer auf dem Rasen und nun dieses schon etwas angejahrte Liebespaar in dicken Mänteln: Ottmar H. (54) und Uli H. (51) liegen sich vor 63.000 Zuschauern in den Armen, hoppeln als Jubelknäuel über die Tartanbahn, nur der finale Schmatzer fehlte noch. Dass dann Sekunden nach dem Schlusspfiff das Licht aus- und zu Walzerklängen das Feuerwerk über dem Olympiaberg angeht, ist nur logisch und die konsequente Fortführung dieser Herzschmerzbilderfolge. Die Geschichte schreit nach einer Verfilmung, der Titel dürfte unstrittig sein: „The Dusel is back – Die Rückkehr der Dusel-Bayern, Teil III“.

Pizarros Abseitstor in Bremen, das Elfmetergeschenk gegen Anderlecht und nun der Meira-Patzer im Liga-Gipfel gegen Stuttgart – die Bayern sind innerhalb von einer Woche raus aus der Vorhölle, machen wieder die Big Points in den Schlüsselspielen, auch wenn sie miserabel kicken (die Partie in Bremen ausgenommen). Immerhin: In Teilen der Bayern-Führung ist man dem Schicksal tatsächlich ein bisschen dankbar.

Vorstands-Chef Rummenigge sagt: „Wir haben Glück gehabt. Und man darf das Glück nicht überstrapazieren.“ Manager Hoeneß war am Tag danach schon wieder einen Schritt weiter: „Wir haben gestern kein Glück gehabt, Stuttgart hat nur optisch besser gespielt. Aber: Ein Torwart gehört auch dazu, unserer heißt Oliver Kahn und der ist der beste auf der Welt. Und wenn sich die Stuttgarter allein vor ihm in die Hose machen, können wir auch nix dafür. Wir haben einen Makaay, der macht aus einer Chance ein Tor.“

Es war ein Spiel für bekennende Pragmatiker, also für Roy Makaay. Wie er denn das Spiel der Bayern gesehen habe, wurde der notorische Torschütze gefragt. „Wir haben 1:0 gewonnen.“ Nein, nein beharrt der Frager: wie das Spiel war, nicht das Ergebnis. „Hab ich doch gesagt: Wir haben 1:0 gewonnen.“ Will sagen: Ist mir doch piepegal, wie offensichtlich der VfB den Meister in dessen Stadion dominiert, Hauptsache ich kann einmal aufs Tor schießen. In der Tat besteht der Unterschied zwischen dem FC Bayern und dem Rest der fußballspielenden Welt derzeit in Kahn und Makaay. Kein Wunder, dass der entscheidende Treffer auf das Konto der beiden geht: Kahn schlägt den Ball lang ab, Meira tritt neben die Kugel, Makaay läuft ihm weg und trifft mit links, Stuttgarts erste Saisonniederlage, die erste seit dem 1:2 vor sieben Monaten – gegen Bayern München.

Fünf Spiele ohne Sieg heißt nun die Bilanz der schwäbischen Boygroup, aber Trainer Magath will keine Krisenstimmung aufkommen lassen: „Es ist jammerschade für die Mannschaft, dass sie nicht gewonnen hat. Unsere Vorrunde war sensationell bis hierher. Wir können zufrieden in die Winterpause gehen. Wir haben tolle Arbeit abgeliefert.“ So auch in München: „Richtig gut Fußball“ habe seine Elf gespielt, und dass ein Tor in der Luft lag, habe er auch gespürt, sagt Magath, „nur: dass es auf der anderen Seite fallen würde, war nicht vorherzusehen.“

Kahn wiederum wusste, dass „da nix mehr drin ist in unseren Akkus“, sah seine Mannschaft „hin und her wanken wie ein Turm im Sturm, aber sie fällt nicht“. Felsenfest in der Krise dagegen: Michael Ballack, der problemlos seine desaströse Form hielt. Wille war ihm nicht abzusprechen: Schon nach 57 Sekunden grätschte er in bester Effenberg-Manier den viel zu flinken Hleb am Mittelkreis von den Beinen – ein verzweifelter Versuch, sein Revier zu markieren. Mit einem hilflosen Foul fing er sich später noch seine fünfte gelbe Karte ein – die vorzeitige Winterpause hat er wohl am nötigsten. Am Dienstag noch mal zu den heimstarken Freiburgern, danach in Urlaub, bevor es Anfang Januar zum neuntägigen Trainingslager nach Dubai geht. Die viel zu kleine rotweiße Bommelmütze vom Stuttgart-Spiel wird Uli Hoeneß dort nicht brauchen. Hat er auch nur angezogen, weil er es für den Fall eines Anderlecht-Sieges versprochen hatte: dem Bayern-Fanclub „Die Bombelbuam?“. THOMAS BECKER