Rekrutenquälerei war kein Geheimnis

Laut Union lagen der Bundeswehr seit Februar Hinweise auf Misshandlungen bei Ausbildung vor. Armee geht von 20 Fällen aus. Vorfall in Marinetechnikschule Parow

BERLIN rtr/dpa ■ Die Bundeswehr-Führung hatte nach Einschätzung der Union schon zu Jahresbeginn Hinweise auf problematische Praktiken bei der Ausbildung von Soldaten. Der Wehrexperte der Unionsfraktion, Christian Schmidt (CSU), verwies gestern auf eine im Februar ergangene Weisung des Heeresführungskommandos, wonach das Verhalten bei Geiselnahmen nicht in der Grundausbildung geübt werden dürfe. Er gehe davon aus, dass dahinter die Kenntnis von mehr Problemfällen stecke als der vom Verteidigungsministerium genannten zwei kleineren Probleme.

Nach Angaben der Union geht die Bundeswehr inzwischen von etwa 20 Fällen von Soldatenmisshandlungen aus. Verteidigungsminister Peter Struck (SPD) hatte am Vortag von zwölf Fällen gesprochen. Schmidt forderte Struck zu einer besseren Informationspolitik auf. Sonst sei ein Untersuchungsausschuss nicht auszuschließen.

In einer der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Liste des Ministeriums werden 14 Fälle aufgeführt. Genannt werden neben den bekannten sechs Standorten ferner Hamm (Nordrhein-Westfalen), Parow (Mecklenburg-Vorpommern), Sonthofen (Bayern), Wittmund und Wildeshausen (beide Niedersachsen).

Nach NDR-Informationen hat an der Marinetechnikschule Parow bei Stralsund ein Hauptbootsmann im Februar unter anderem einen Rekruten gezwungen, eine Handgranate zu halten. Dann habe er die Sicherung gezogen. Der Rekrut habe nicht gewusst, dass die Granate nicht scharf war.

Die Misshandlungen sprechen, so Struck, gegen eine Berufsarmee. „Solche Dinge würden in einer Freiwilligen- und Berufsarmee wahrscheinlich gar nicht herauskommen“, sagte er der Sächsischen Zeitung.