Beckmann und der Griff in den Schritt

Der Radiosender Eins Live hat in Oberhausen dem Pop die Krone aufgesetzt. Erkenntnisse: Reinhold Beckmannhat unten Aua, Nina Hagen ein Lebenswerk mit Krone und wir hatten zuweilen allen Grund, zu weinen

Reinhold Beckmann, der Frauenversteher unter den Holztisch-Moderatoren, hatte gerade noch mit seinen Hormonen gerungen. Er hatte etwas von „unbeschreiblich weiblich“ gefaselt, von einem „musikalischen Erdbeben“ und einem beträchtlichen „Beitrag zur Aufklärung“. Als er endlich fertig war, wandelte jene Frau auf die Bühne, die uns, noch mal Beckmann: „die schönste Tochter Deutschlands“ geschenkt hat – und dann waren die meisten verdutzt.

Mit Nina Hagen nämlich, die am Donnerstag von Nordrhein-Westfalens Kinderkanal Eins Live für ihr Lebenswerk gekrönt wurde, hat die Hörerschaft des Radiosenders herzlich wenig am Hut. Deshalb forderte Beckmann das Publikum in der Oberhausener Arena auch vorsorglich dazu auf, sich doch bitte zu erheben und zu applaudieren. Ist schließlich die Nina Hagen, und die findet der Beckmann dufte, auch weil sie sich mal vor laufender Kamera in den Schritt gefasst hat, „da wo‘s weh tut“, wie Beckmann wissen ließ. Und während dann alle höflich rumstanden, krächzte Nina Hagen gewohnt wirr ins Mikro, schmähte die Maschine, in der sie selber steckt, als „Götzen-Erschaffungs- und Vernichtungs-Industrie“. Rechts von ihr saßen einig jene Götzen und guckten dumm.

Die so genannte Krone für das Lebenswerk, die Hagen jetzt ziert, ist die einzige Kategorie, die nicht von von den Hörern gewählt, sondern von den Redakteuren bestimmt wird. Vielleicht ist das auch ganz gut so, sieht man sich die übrigen Kronen an: Als die Schülerband Sportfreunde Stiller für ihr Album „Burli“ ausgezeichnet wurde, wünschte man sich schon weg. Bei der Kategorie „Bester Liveact“, in der Wir sind Helden die Ärzte hinter sich ließen, wünschte man sich Alkohol in rauen Mengen. Und als schließlich klar war, dass die Wolfsburger Gruppe Oomph! die Beste Band sein soll, hätte man beinahe die Kategorie Bester Moderator vorschlagen und Reinhold Beckmann nominiert.

Soweit kam es aber dann doch nicht, schließlich wurde neben Nina Hagen auch Joy Denalane gekrönt, der Rest ist Nebensache. Vor allem, wenn sich Radio-Moderatoren ihrer Schwurbel-Zelle entziehen und auf einer Bühne auftauchen, was hier in Person von Olli Briesch und Katty Salié geschehen war. Vielleicht sollte man nächstes Mal irgendeinen zugedrogten US-Rapper als Moderator engagieren. Der könnte einen dann auch davor bewahren, wegzunicken, nachdem einem Raab-Retorte Max Mutzke ein Medley aus sage und schreibe zwei Liedern verabreicht hat. Aber, ach, Eins Live gehört ja zum WDR, ist also von Hause aus brav. Die Fernsehzuschauer konnten deshalb nicht mal auf Skandale hoffen – die Show wurde zeitversetzt ausgestrahlt.

BORIS R. ROSENKRANZ