Die Geduld der Verbalreformer

Die „Westfalen-Initiative“ bat zur Diskussion der Verwaltungsreform. Ergebnis der Münsterschen Runde: Bis zur Landtagswahl 2005 geschieht nichts, auch dann wird nur langsam umgemodelt

Von links bis rechts gab man sich watteweich und dennoch entschlossen

AUS MÜNSTER JÖRG GIERSE

Die Hau-Ruck-Reformer haben keine Lust mehr auf den großen Wurf. Das war das Signal, das von der groß angekündigten Podiumsdiskussion zur Verwaltungsstrukturreform ausging – wenn es denn überhaupt eins gab. Die Stimmung, die am Donnerstag Abend über dem Plenarsaal des münsterischen Landeshauses lag, fasste der grüne Landtagsabgeordnete Rüdiger Sagel treffend zusammen: „Der Reformeifer lässt stark nach, wenn man mit den konkreten Problemen konfrontiert wird.“

Die rieb Jörg Bogumil den versammelten Landespolitikern bei dieser Gelegenheit nochmal deutlich unter die Nase. Der Verwaltungswissenschaftler der Universität Konstanz hatte im Auftrag der „Westfalen-Initiative“ die drei führenden Reformvorschläge zum Umbau der NRW-Verwaltung untersucht. Sein Ergebnis: Alles Unsinn. Ob das rot-grüne „Düsseldorfer Signal“, der CDU-Vorstoß oder die Thesen des Reform-Papstes Joachim Jens Hesse: „Keiner der Vorschläge führt zu nennenswerten finanziellen Einsparungen“, so Bogumils nüchternes Fazit.

Ganz dicke kam es dabei für seinen Podiums-Nachbarn Heinrich Kruse. Schrieb der CDU-Landtagsabgeordnete doch federführend am Brandpapier seiner Partei mit, mit dem Landeschef Jürgen Rüttgers die rot-grüne Regierung in Sachen Verkrustungsabbau vor sich her treiben wollte. Bogumils Daten belegen: Der CDU-Vorschlag, drei neue Regionalverwaltungen für Westfalen, Rheinland und Ruhrgebiet einzuführen, würde sogar teurer werden als das bisherige Nebeneinander von Landschaftsverbänden und Bezirksregierungen.

Nun sind die Inhalte des Bogumil-Gutachtens schon seit September bekannt, und so hatten die Polit-Profis genügend Zeit gehabt, ihre forschen Reformideen zu relativieren. Konsequenz: Von links bis rechts gab man sich watteweich und dennoch entschlossen. „Dass unser Vorschlag nicht so gut wegkommt, damit können wir leben“, brummte Kruse und behauptete, die CDU habe sowieso nicht eine hundertprozentige Umsetzung im Sinn gehabt, sondern „ein Stück Provokation“: Entscheidend sei schließlich, dass „jetzt endlich was vorangeht“.

Auch die Vertreter der Koalition vergossen Krokodilstränen und stimmten in den großen Chor derer ein, die alles nicht so gemeint hatten. Man wolle doch über Aufgaben und Inhalte reden, stattdessen sei aus der Debatte um die Verwaltungsstrukturreform „eine parteipolitische Auseinandersetzung“ geworden, klagte Bernhard Daldrup, Chef der SPD-Münsterland. Das “Düsseldorfer Signal“ von 2003, in dem Rot-Grün sich für weniger Bezirksregierungen (drei statt fünf) und mehr Landschaftsverbände (drei statt zwei) ausgesprochen hatte, nannte er rückblickend tatsächlich „nicht überzeugend“.

Koalitionspartner Rüdiger Sagel ging noch einen Schritt weiter: „Papier ist geduldig, und dieses Papier ist meiner Ansicht nach schon überholt“, erklärte der Grüne dem staunenden Publikum. Einig war er sich mit SPD-Mann Daldrup und CDU-Mann Kruse aber auch darin, dass das gar nicht so schlimm sei. Vor der Landtagswahl, so der Tenor, passiere sowieso nichts mehr. Und nachher höchstens ganz langsam und vorsichtig. Auf das Fazit des Bogumil-Gutachtens – lieber in den alten Strukturen etwas verändern als die Strukturen selbst einreißen – konnten sich denn auch alle einigen.

In den großen Konsens der Zurückruderer brachte nur der Düsseldorfer FDP-Fraktionschef Ingo Wolf etwas Schwung – zumindest rhetorisch. Fröhlich bügelte der forsche Rheinländer seine westfälischen Kollegen als „Verbalreformer“ ab, sang einmal mehr das Hohelied der Privatisierung und kündigte an, nach dem sicheren schwarz-gelben Wahlsieg sämtliche Umwelt-Sonderbehörden des Landes abzuschaffen. Wenigstens eine klare Aussage.