Szene zum Dritten

An der Insolvenz vorbeigeschrammt: Die nach Auflagenmanipulationen schlingernde „Szene Hamburg“ hat schon wieder einen neuen Besitzer, Geschäftsführer und Chefredakteur. Mitarbeiter befürchten Spareinschnitte

von Marco Carini

Den Namen wird man sich merken müssen. Dr. Axel Goehler heißt der Geschäftsführer und zugleich Chefredakteur der Szene Hamburg. Goehler, ein absoluter Newcomer im Verlagsgeschäft, ist zudem auch Mehrheitseigner der „Hamburger Stadtillustrierten Verlagsgesellschaft“ (HSI), die das Stadtmagazin herausbringt und damit de facto Besitzer des Blattes. Mit wirtschaftlicher Wirkung zum 31. Oktober erwarb die Newmex Ventures GmbH, die Goehler zu 70 Prozent gehört, einen 75-prozentigen Anteil an der HSI.

Die restlichen Anteile verbleiben bei Ex-Szene-Geschäftsführer Gerhard Fiedler, gegen den aber die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen Betruges ermittelt. Mindestens fünf Jahre lang, von 1999 bis Ende 2003, soll der Verlag die Auflagenzahlen kräftig geschönt und so die Anzeigenpreise in die Höhe getrieben haben. Fiedler allerdings betont, er habe von den Manipulationen „erst im Januar“ dieses Jahres erfahren, nach dem Ausscheiden von Ex-Geschäftsführer Thomas Albrecht.

Noch Anfang August hieß es, Fiedler sollte den Verlag, der neben der Szene auch Hamburg Pur und Uni Extra herausbringt, von der SPD-Medienholding „Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft“ (DDVG) übernehmen. Diese wollte das Stadtmagazin abstoßen, um als neuer Mehrheitsgesellschafter alle Kräfte auf die Sanierung der Frankfurter Rundschau zu konzentrieren.

Doch der Deal platzte, als das volle Ausmaß der Auflagenmanipulationen bekannt wurde. Fiedler musste am 19. September von seinem Amt als HSI-Geschäftsführer zurücktreten, um einen „personellen Neuanfang“ zu ermöglichen. Jetzt wurde er auch als Chefredakteur von Goehler abgelöst.

Der steht vor einer schwierigen Aufgabe: Schadensersatzansprüche in erheblicher Höhe stehen den geprellten Anzeigenkunden zu, die trotz des Betruges auch als zukünftige Inserenten gehalten werden müssen, will die Szene nicht baden gehen. Die DDVG musste aufgrund dieser Ansprüche beim Verkauf sogar noch erhebliche Mittel zuschießen, um die Stadtillustrierte, die bereits seit 31 Jahren erscheint, überhaupt loszuschlagen und nicht in die drohende Insolvenz gehen zu lassen.

Goehler will nun bis Ende kommenden Jahres den Hebel umlegen und rote Zahlen in eine „Rendite vor fünf bis zehn Prozent vor Steuern“ verwandeln. Um dieses Ziel zu erreichen, kündigt der Neuverleger bereits schmerzhafte Schritte an: Alle Verlagstitel kommen auf den Prüfstand, die Belegschaft soll verkleinert werden. Erstes Resultat des neuen Sparkurses: Dasbislang monatlich erscheinende Homo-Magazin YAG wurde eingestellt.

Die Beteiligungs- und Strategieberatung Newmex, die als Berater bei Firmengründungen und -sanierungen tätig ist und mit verschiedenen Hamburger Behörden Konzepte der „public private partnership“ entwickelt, verfügt bislang über keinerlei Erfahrungen im Verlagswesen. Trotzdem will Goehler sich „mittel- bis langfristig“ bei der Szene engagieren, an „eine Weiterveräußerung“ sei, so betont er, nicht gedacht. Damit scheint klar, dass Fiedler, der noch bis Mitte dieses Monats über ein verbrieftes Vorkaufsrecht an dem HSI-Verlag verfügt, dieses nicht wahrnehmen wird.

Trotz des angekündigten Sparkurses plant Goehler ein ambitioniertes journalistisches Konzept für die Szene. Nach eigenem Bekunden will er „die inhaltliche Auseinandersetzung mit den Themen der Stadt im Magazin forcieren“.

Die MitarbeiterInnen des Verlags wollen nun endlich Klarheit über den zukünftigen Kurs, den endgültigen Besitzer und die angekündigten „deutlichen Einschnitte“ auch beim Personal. Die Stimmung ist auf dem Tiefpunkt, die Angst um den eigenen Arbeitsplatz bestimmt das Klima am Schulterblatt. „Wir sind“, so ein Belegschaftsmitglied, „über die gesamten Vorgänge wirklich not amused.“