selbstgebasteltes
: Der Weg der Globalplayer

Erstaunlich ist’s, wie viel Verstellungskunst kleine Menschen, vulgo Kinder, anlässlich der Weihnachtsfeierlichkeiten langen Menschen abverlangen: Es sind ja die Erwachsenen, denen die Christbaumstimmung inklusive familiärer Glückseligkeit alles bedeutet. Ein Weihnachtsfest ist nur dann gültig, wenn der Glanz der Wachskerzen sich in rührunggefeuchteten Erwachsenenaugen spiegelt, von denen er auf jene des Nachwuchses projiziert wird.

Die Kinder nehmen das eher cool. Sie nutzen den Gefühlsdusel der Erziehungsberechtigten so wie börsennotierte Unternehmen weltweite Aufregung ob Mega-Katastrophen und Terroristenanschlägen: Sie setzen etwas ab, was ihnen nicht in den Kram passt. Bei den Globalplayers sind das im Allgemeinen Gewinnwarnungen, Nachrichten über verheerende Ab- und Umsatz-Einbrüche, verunfallte Prototypen und Massenentlassungen. Das führt zum Thema: Selbstgebasteltes.

Es gibt natürlich begnadete Bastler, wahrscheinlich auch unter Kindern. Das Problem ist allerdings, dass der Handarbeitstrieb kanalisiert wird: Das übernimmt die Schule, und zwar so, dass mindestens einmal im halben Jahr ein fertiges Produkt in den Ranzen wandert. Nützliches wie ein luftig gehäkelter Topflappen zum Beispiel. Oder Dekoratives, wie ein aus Zahnstochern geklebtes Bild. Leider waren die Hände etwas schmutzig und das Uhu hat sich mit den Dreckpartikeln erkennbar vermischt, und überhaupt, der ein oder andere Holzspan ist in suboptimale Schräglage geraten, weil er mittelfristig an den Konstrukteursfingerchen haftete, bevor er sich schließlich dem Tableau hat applizieren lassen. Die Frage: Wohin damit? Ins Kinderzimmer? Proppevoll. In den Sperrmüll? Na, das überlegt man sich zweimal, nach einem halben Jahr Schweiß, Tränen und Flüchen. Bleiben: die Eltern.

„Oh“ werden die rufen, nachdem sie die indefinite Handwerkskunst vorsichtigst ausgewickelt und das Papier behutsam von den noch immer feuchten Kleberesten gelöst haben und allenfalls – aber sachte, sachte! nur ja nicht die Stimmung zerstören, jetzt, am Heiligen Abend! – nachfragen, was das denn sei. Auf die wahrheitsgemäße Antwort, dass es sich um ein im Werk-Unterricht erstelltes Zahnstocherbild handelt, wird die Bemerkung fallen: „Da hast du dir aber viel Mühe gegeben.“ Dann wird das fragliche Produkt einen Ehrenplatz erhalten. Es wird aufgehängt, zumindest im Schlafzimmer und zumindest für eine gewisse Schamfrist, bevor es auf den Speicher wandert. Aber wen kümmert’s? Hauptsache weg. Ein wirklich elegantes Verfahren, allerdings fehlt zum wirklichen Geniestreich noch der entscheidende Schritt. Beruhigt über die Manager-Qualitäten ihres Nachwuchses können Eltern erst sein, wenn dieser die Chancen dieser Methode auch für die relevanteren Produkte entdeckt. Beispielsweise die selbstgebastelte fünf in der Mathearbeit.

B. Schirrmeister