SPD schwelgt in Erinnerungen

Statt über die derzeit heftig umstrittene Bildungspolitik zu diskutieren, wollen die Sozialdemokraten auf ihrem heutigen Parteitag lieber noch mal über Hartz IV reden

Der SPD müsste man in diesen Tagen mal den Gorbatschow mit seinem „wer zu spät kommt …“ vorzitieren. Denn wenn die Sozialdemokraten heute bei ihrem Landesparteitag zusammensitzen, soll es um die Arbeitsmarktreform und Hartz IV gehen, das zentrale Thema des zurückliegenden Sommers. Erst für den Parteitag im April ist das derzeit aktuelle Thema Bildung vorgesehen. Immerhin wird kommende Woche die Pisa-II-Studie offiziell vorgestellt, auch streiten die Koalitionsparteien um das Wertefach Lebensgestaltung/Ethik/Religion (LER).

Bis vor gut sechs Wochen war die Bildungsdebatte nach Parteiangaben noch vorgesehen. Dann aber stellte sich laut Parteisprecher Hannes Hönemann heraus, dass das Thema in den Kreisverbänden noch nicht ausdiskutiert war. Auch kann beim heutigen Parteitag der zentrale SPD-Bildungsakteur nicht dabei sein: Schulsenator Klaus Böger ist in Helsinki und versucht dort in seiner Funktion als Sportsenator mit dem Regierenden Bürgermeister, die Leichtathletik-WM 2009 nach Berlin zu holen.

SPD-Chef Michael Müller will zwar bei dem Parteitreffen im Congress Centrum am Alexanderplatz auch etwas zum Bildungsthema sagen. Zentral aber ist Hartz IV, zu dem sich die Partei in einem Leitantragsentwurf bekennt. Müller war erst im Juni zum Nachfolger des im Zuge der Tempodrom-Affäre zurückgetretenen Landesvorsitzenden Peter Strieder gewählt worden.

Der immer mal wieder als blass beschriebene, aber gerade in Parlamentsdebatten zunehmend kreativer werdende Müller hat in seinen ersten Monaten mit Zweierlei aufhorchen lassen. Zum einen sagt er in unregelmäßigen Abständen, man müsse im Land die Grenzen des Sparens deutlich machen. Ganz große Einschnitte soll es vorerst nicht mehr geben.

Zum anderen hat die SPD jüngst gleich zweimal ohne Absprache mit dem Koalitionspartner PDS Forderungen aufgemacht. Das Wertefach LER wollen zwar auch die Sozialisten zu einem Pflichtfach machen. Sie lehnen es aber ab, dass Schulsenator Böger bei seinem Vorstoß eine Hintertür zur Abmeldung in einen Religionsunterricht offen lässt. Und erst vor einigen Tagen überraschte Müller den Koalitionspartner mit dem Vorschlag, den für Berlin-Brandenburg zuständigen Parlamentsausschuss aufzulösen. Den hält er nach dem Scheitern der für 2009 geplanten Länderfusion nicht mehr für nötig. STEFAN ALBERTI