was macht eigentlich... … die Litfaßsäule?
: 150 Jahre rumstehen

„Wem sind die meisten Denkmäler in Berlin gewidmet?“, war im 19. Jahrhundert eine beliebte Scherzfrage. Die Antwort lautete: „Ernst Litfaß“. Eigentlich hatte der Buchdrucker nur keine Lust mehr auf den Zettelwust an Zäunen, Bäumen und (seinen) Hauswänden. Daher schloss er am 5. Dezember 1854 mit dem Berliner Polizeipräsidenten einen Vertrag, der es ihm erlaubte, 150 „Annoncier-Säulen“ aufzustellen. Es war die Geburtsstunde der Plakatwerbung. Im Gegenzug verpflichtete sich Litfaß, immer die städtischen News darauf zukleben.

Weil viele BerlinerInnen kein Geld für Zeitungen hatten, konnten sie die offiziösen Neuigkeiten von da an auf dem runden Stadtmöbel lesen – und der Erfinder war nunmehr als der „Säulenheilige“ bekannt. Nach dem Krieg wurde die große öffentliche Zeitung von den Bürgern für Vermisstenanzeigen und Schwarzmarktangebote benutzt. Die Behörden teilten über sie mit, wo Wasser und Lebensmittelmarken zu bekommen waren.

Menschenmassen drängeln sich heute nur noch selten um die runden Werbeträger, aber ein Blickfang sind sie immer noch. In Deutschland stehen mittlerweile an die 17.000 Stück. Clevere Geschäftsleute experimentieren von Zeit zu Zeit mit „Multi-Funktions-Säulen“, die Zeitungsstand, Telefon und Bankautomat in einem sind. Ob das dem einstigen Reklamekönig wohl gefallen würde? Wahrscheinlich hätte er die Sache selbst in die Hand genommen und noch einen Würstchengrill nebst Backautomat integriert. Oder vielleicht doch gleich eine ganze Tankstelle? AMFOTO: AP