Die Zahnbürste des Udo W.

„Typisch Udo“, die Doku-Serie über Promi-Friseur Udo Walz, zeigt eher zufällig sowohl gehobene schwule Alltagskultur als auch die Funktionsweise moderner Medienaristokratie (RTL, So 17.15 Uhr). Haare werden aber auch geschnitten

Der Berliner Promi-Haarschneider Udo Walz stand nie unter dem Druck, sich öffentlich als Homosexueller „outen“ zu müssen oder zu sollen, denn von einem Friseur erwartet man diese sexuelle Orientierung – es ist ein Klischee, kein Thema. Die neue RTL-Doku-Serie „Typisch Udo“ interessiert sich zumindest vordergründig gar nicht für diesen Teil der Persönlichkeit des Udo Walz – das Zusammenleben mit seinem Freund wird ganz selbstverständlich abgebildet, eine unbeabsichtigte Dokumentation gehobener schwuler Alltagskultur zwischen Edelnippes und Gurkensuppe. Darüber abzulachen bleibt dem übelmeinenden Zuschauer überlassen. Eigentlich soll mit Walz’ Hilfe ein Einblick in die angeblich „begehrte Berliner Bussigesellschaft“ gewährt werden, deren Vorsitz sich Walz und dessen Kundin Sabine Christiansen teilen – eine Welt, an der man als Regierender Bürgermeister eben dieser Stadt nicht ungestraft teilnehmen darf, zumindest wenn man schwul ist. Bürgermeister sind nicht schwul.

Udo Walz hat bereits verkündet, dass er für „Typisch Udo“ keinen Bambi haben möchte, und den wird er auch nicht bekommen – schon gar nicht in der Kategorie „Doku“, denn um eine solche handelt es sich gar nicht. Die Szenen aus dem „wirklichen Leben“ des Friseurs sind inszeniert, die Dialoge auswendig gelernt. Echt ist nur das Setting, der Salon Ecke Uhlandstraße Kurfürstendamm, die große Dachgeschosswohnung, Heimat einer Wohngemeinschaft, die Udo Walz, Lebensgefährten Carsten Thamm, Haushälterin Regina Albrig und Hund Oskar umfasst. Der Rest der Sendung wird von Gastauftritten anderer Prominenter getragen, in der ersten Folge von einem eifrig kalauernden Ottfried Fischer.

Hund Oskar ist sehr anlehnungsbedürftig und Udo Walz ist ein netter älterer Herr (60), der gerne raucht und trinkt und im Übrigen von sich behauptet, einfach ein „glücklicher Mensch“ zu sein – das ist schön für ihn. Seine elektrische Zahnbürste ist übrigens von Braun. Udo Walz lebt vom Abglanz der Prominenten, deren Glitzern er handwerklich mitgestaltet. Es handelt sich um eine erfolgreiche Symbiose – er ist nun selbst ein Star. Walz hat sie alle unter der Schere gehabt, die Dietrich, die Loren, die Paltrow, die Merkel – und für Gerhard Schröder hat er vor Gericht Auskunft über die Authentizität seiner Haarfarbe gegeben. 98 Prozent aller Deutschen kennen Udo Walz, weil er Teil jener nicht mal zwei Prozent aller Deutschen ausmachenden Medienaristokratie ist. „Typisch Udo“ ist eine Doku über Minderheiten in Deutschland.

MARTIN REICHERT