strafexpedition in die schweiz von EUGEN EGNER
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Ein Kollege berichtete mir einst erbost, für sein letztes Buch habe er vom Zürcher Verlag eine Abrechnung über nur neunundzwanzig verkaufter Exemplare erhalten, obwohl bereits nach einer Woche die vierte Auflage gedruckt worden sei. Kurzerhand beschloss er daher, den Verleger höchstpersönlich abzuprügeln. Mich forderte er zur Beteiligung an der Strafexpedition nach Zürich auf, denn meine vom selben Verlag ausgetellte Jahresabrechnung wies neunundzwanzig Exemplare weniger auf als die seine. Damit ich in seinen Pkw hineinpasste, räumte der Kollege große Gerümpelmengen vom Beifahrersitz und warf alles nach hinten. Ich saß noch nicht richtig, da raste er schon, nach Rache brüllend, los. Ich stimmte ein.

Den Verleger zweistimmig schmähend, erreichten wir endlich den Grenzübergang. Bei der Passkontrolle nahm man uns beiseite, der Fahrer musste den Kofferraum öffnen und den Reservereifen herausnehmen. Dabei stieß er wüste Beschimpfungen aus. Der Schweizer Zöllner schwieg dazu und erlaubte uns schließlich die Weiterfahrt. Nun brüllte der Kollege vor Hass auf den Zollbeamten. Das sei die übliche Schurigelei wegen der Unordnung im Fahrzeug gewesen, erklärte er. Er fahre öfter in die Schweiz, und es sei jedes Mal das Gleiche. So seien sie eben, die Schweizer! Die hätten’s gerade nötig! Bei diesen Ortsnamen! Grimmig hohnlachend nahmen wir unterwegs zur Kenntnis, dass die Orte in dieser Gegend Mumpf, Obermumpf und Pratteln hießen.

Die Stunde der Vergeltung war nahe. Um richtig in Stimmung zu kommen, konzentrierten wir uns wieder auf den Verleger. Wir schüttelten die Fäuste, rasten hupend in Schlangenlinien dahin und waren zuletzt so aufgebracht, dass wir den Weg nach Zürich total verfehlten.

Plötzlich kamen wir, ohne im Mindesten Gelegenheit zum Abprügeln gehabt zu haben, wieder bei einem Grenzübergang an. Es war zu unserem großen Erstaunen eben derselbe, den wir vorher aus der anderen Richtung kommend passiert hatten. Jetzt sei er es leid, knurrte der Kollege, jetzt kehre er nicht wieder um. Der Verleger und überhaupt die ganze Schweiz könne ihm gestohlen bleiben. Mir war’s recht. Da trat der nämliche Zollbeamte auf den Plan und stoppte uns. Er hatte keins der bösen Worte vergessen, und nun übte er, was uns versagt geblieben war: Vergeltung. Genüsslich hieß er uns aussteigen und begann, das Innere des Pkw wie ein Trüffelschwein zu durchpflügen. Sodann wurden wir mit unserem Reisegepäck ins Zollgebäude befohlen, wo eine gründliche Inspektion mit allen Schikanen stattfand. Mochte man uns durchsuchen, unser Gewissen war rein, wir verstießen nicht gegen das Ausfuhrverbot für hochwertige Schweizer Cannabiserzeugnisse. Mich, der ich ängstlich schwieg, schickte man nach einer Stunde zu Fuß nach Deutschland hinüber. Im Gehen hörte ich noch, wie der unentwegt freche Bemerkungen machende Kollege verurteilt wurde, seinen Wagen unverzüglich mit der eigenen Zahnbürste zu reinigen sowie makellos aufzuräumen. Er quittierte dies mit dem Kommentar, solche Borniertheit passe zu einem Land, wo die Ortschaften Mumpf, Obermumpf und Pratteln heißen. Das war das Letzte, was ich je von ihm gehört habe.