Demokraten desorientiert

Saddams Festnahme bringt Bushs Gegenkandidaten für die Präsidentschaft Probleme

WASHINGTON taz ■ Die Gefangennahme Saddam Husseins war für die demokratischen Präsidentschaftskandidaten eine Hiobsbotschaft, die den Start ins Wahljahr 2004 gründlich vermasselte. Sie gratulierten George W. Bush höflich zum Erfolg, bemühten sich gleichzeitig etwas hilflos, sein Missmanagement im Irak weiterhin zu kritisieren, und suchen nunmehr in den Wahlkampfzentralen fiebernd nach neuen Angriffszielen auf die Regierung. „Die Demokraten stecken in der Zwickmühle“, kommentiert das Wall Street Journal.

Am schwersten trifft es zunächst Howard Dean, dessen unnachgiebige Antikriegshaltung ihn zum Liebling der demokratischen Basis machte. Seine erste Reaktion war ungewohnt kleinlaut und gestelzt. „Dies ist ein großer Tag des Stolzes für unsere Streitkräfte, für die Iraker, das amerikanische Volk und ein großer Tag, offen gesagt, für die Regierung“, sagte er. Später gab er sich kämpferisch. Nur weil Hussein verhaftet wurde, hätte sich seine grundsätzliche Kritik am Irakkrieg nicht geändert – eine Position, die Freunden und Feinden als offene Flanke gilt.

Für seine Widersacher ist daher die Stunde der Abrechnung gekommen. Sie wittern ihre Chance, den Spitzenreiter noch zu überholen. Bis zur ersten Vorwahl Mitte Januar im Bundesstaat Iowa dauert es schließlich noch vier Wochen. „Wäre es nach dem Willen von Howard Dean gegangen, wäre Hussein noch an der Macht“, giftet Joe Lieberman, vehementester Kriegsbefürworter unter den Demokraten. Vietnam-Veteran John Kerry, der selbst nie glaubhaft seinen Wandel vom Kriegsbefürworter zum Gegner erklären konnte, warf Dean „Ambivalenz“ gegenüber dem Sturz Husseins vor und porträtierte ihn als schwachbrüstigen Außenpolitiker. Auch Mitbewerber Dick Gephardt hofft auf Deans Straucheln.

Bislang konnte Dean jedoch dank seiner Unverwüstlichkeit vermeintliche Niederlagen in Siege umwandeln. Kein Geringerer als William Kristol, Herausgeber des neokonservativen Sprachrohrs Weekly Standard, schrieb jüngst seinen Parteifreunden ins Stammbuch, warum sie Dean fürchten sollten. Der demografische Trend helfe den Demokraten. Amerikaner verspürten ein tiefes Unbehagen, wenn Regierung und Kongress von derselben Partei kontrolliert würden, und korrigierten diesen Zustand bei einer Wahl gewöhnlich. Bushs Achillesferse blieben trotz Konjunkturaufschwung seine Steuergeschenke für die Reichen, das riesige Haushaltsdefizit und die Tatsache, dass in seiner Amtszeit keine neuen Jobs geschaffen werden. All dies ändert sich mit der Festnahme Husseins nicht. „Bereitet euch auf Präsident Dean vor“, warnt Kristol.

Die Demokaten scheinen überdies die Lektion aus der schweren Niederlage bei den Kongresswahlen 2002 vergessen zu haben. Indem sie Bushs Politik abnickten, wurden sie als Opposition irrelevant. Die Kerrys und Gephardts hatten die Partei zu einem blutleeren Verein gemacht. Nun legen sie genau jenes devote Verhalten an den Tag, mit dem sie schon einmal Schiffbruch erlitten. Es war Außenseiter Dean, der den Demokraten neues Leben einhauchte und sie nun daran erinnert, dass ein gefangener Diktator Bushs arroganter, unilateraler Außenpolitik und seinen Kriegslügen keinen nachträglichen Segen verleiht. In vier Wochen werden wir wissen, welche Botschaft unter der Parteibasis mehr Widerhall findet. MICHAEL STRECK