Kapitalismus im Kreuzfeuer

1. MAI Radikale Reden auf der DGB-Demo zum Tag der Arbeit. Soziale Polarisierung kritisiert. Prekarisierten-Parade des Euromayday feiert die Kapitalismus-Krise

Transparente zum Thema Mindestlohn wie „Arm trotz Arbeit“ prägten das Bild der Demonstration

VON KAI VON APPEN

Mehr als 7.000 Menschen haben sich am 1. Mai auf zwei Demonstrationen für die Schaffung von sozialen Standards wie einem Mindestlohn eingesetzt und nicht sozialversicherte Mini-Jobs und Lohndumping angeprangert. Tenor der Äußerungen: „Der Neoliberalismus ist gescheitert.“

Angeführt von Landesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Erhard Pumm und der Gewerkschaft Ver.di, Wolfgang Rose, sowie dem Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten, Franz-Josef Möllenberg, zogen am Morgen rund 5.000 GewerkschafterInnen auf der traditionellen DGB-Mai-Demonstration vom Gewerkschaftshaus zum Museum der Arbeit. Mit zahlreichen Transparenten machten die Beschäftigten des Karstadt-Konzerns auf ihre prekäre Situation aufmerksam. Aber auch Transparente zum Thema Mindestlohn wie „Arbeit für alle bei fairem Lohn“ oder „Arm trotz Arbeit“ prägten das Bild der Demonstration.

Auf der DGB-Kundgebung attackierten Pumm und Möllenberg die Konzerne und Banken: „Kriminelle Energie“ und die „Gier der Manager von A bis Z – von Ackermann bis Zumwinkel“ hätten eine Finanz- und Wirtschaftskrise ausgelöst, deren „Ausmaß bis heute nicht bekannt ist“, schimpfte Pumm. Es müsse Schluss sein mit dem Roulettespiel der Finanzwelt. „Den ungehemmten Kapitalismus gilt es zu verhindern“, sagte Pumm. Stattdessen sei eine sozialethische Neubestimmung nötig, die neue Maßstäbe einer sozialen Gesellschaft setze.

In die gleiche Kerbe hieb Möllenberg. Er stieg in die Diskussion über soziale Unruhen ein. „Wir reden keine Unruhen herbei“, betonte Möllenberg staatstragend. Er wolle den Standort Deutschland „nicht nur erhalten, sondern sogar stärken“.

Aber die Gewerkschaften könnten nicht ignorieren, dass die „Polarisierung zwischen Arm und Reich“ zunehme. „Der neoliberale Mainstream muss gestoppt werden“, forderte Möllenberg. Die Gewerkschaften würden nicht nicht zulassen, „dass wir für die Fehler der Manager zahlen“ und dass durch Deregulierung immer mehr Beschäftigte in prekäre Beschäftigung und den Niedriglohnbereich gedrängt würden.

Prekäre Beschäftigung war auch das Thema der „Parade der Prekarisierten“ beim Euromayday. Dort feierten rund 2.000 Erwerbslose, Minijobber, Freelancer, illegalisierte Putzfrauen, Heimarbeiterinnen und DauerpraktikantInnen „krisenfest das Ende des Neoliberalismus“. Der erste, alternativ zu den Gewerkschaftskundgebungen stattfindende Euromayday 2005 habe sich für „global soziale Rechte“ eingesetzt, sagte ein Redner. 2009 könne das Ende des Neoliberalismus gefeiert werden.

Eine kleine Umfrage unter den Prekarisierten habe ergeben: „Keine Wertpapierverluste, keine Insolvenzen, Sparquote nach wie vor stabil bei Null“, sagte Lea Cordes von den Organisatoren. In der Arbeitswelt werde immer noch wahlweise prekär verdient – erwerblos oder als PraktikantIn. Das Geld reiche gerade zum Leben, aber nicht für die Altersvorsorge.

Der bunte phantasievoll-satirische Zug zog in die Hafencity und danach am Hafen entlang zum Fischmarkt. Einige TeilnehmerInnen hatten Möhren mit Wünschen wie „Habe heute krisenfrei“ und „more crisis“ dabei. Andere trugen Taschen mit der Aufschrift „Glamour prekär“ und Sprechblasen. Darauf stand: „Wir sind die Krise“ und „Hafencity für alle“.