„Wir wollen Talente“

FUSSBALL Der ehemalige Bundesligatrainer Falko Götz über seine Aufbauarbeit beim Viertligisten Holstein Kiel

■ ist seit seit Anfang des Jahres Trainer von Holstein Kiel. 2007 war er von Hertha BSC Berlin wegen anhaltender Erfolglosigkeit entlassen worden. Als Götz kam, war Kiel schon Herbstmeister. Er wurde geholt, um den Verein professioneller zu machen und ihn in die Zweite Bundesliga zu führenFOTO: DPA

INTERVIEW: ROGER REPPLINGER

taz: Herr Götz, haben Sie jetzt, als Trainer von Holstein Kiel in der vierten Liga, viel Freizeit?

Falko Götz: Nein, eigentlich nicht. Im Gegenteil. Ich bin ja nicht nur Cheftrainer von Holstein Kiel, sondern trage die gesamte sportliche Verantwortung in diesem Verein. Die Arbeit an den organisatorischen Strukturen wurde mir abgenommen, ich arbeite daran, die sportlichen Strukturen neu zu gestalten. Wir wollen ein Ausbildungsbetrieb für Spieler anderer Vereine werden. Wir wollen das Scouting intensivieren, die Spielbeobachtung, Talente finden.

Wie oft trainieren Sie in der Woche?

Wir arbeiten unter Vollprofibedingungen. Vier, fünf Spieler machen ein Studium oder eine Ausbildung. Ich halte es für sehr wichtig, dass die auch ein berufliches Standbein haben. Für den Einen oder Anderen wäre es fahrlässig, nur auf die Karte Fußball zu setzen.

Mit dem, was Sie hier in Kiel machen, haben Sie Erfahrung.

So ist es. Als Spieler bei Hertha BSC Berlin habe ich keine Strukturen vorgefunden. Als Cheftrainer der Jugendabteilung von Hertha habe ich angefangen, Strukturen zu entwickeln. Als ich dann von 1860 München als Cheftrainer zurück nach Berlin gekommen bin, war der Brückenschlag von Jugend zu Profis möglich. Das wollen wir auch hier in Kiel möglichst schnell hinbekommen.

Wie steht es denn mit der Infrastruktur beim Tabellenführer der Regionalliga Nord?

Im Augenblick fehlt nichts. Wir haben ein schönes Trainingsgelände, ein schnuckeliges Stadion, und wir können die Bedingungen permanent verbessern.

Was haben Sie an der Spielweise geändert?

Ich will, dass wir aggressiver, offensiver spielen. Wir spielen attraktiver, sagen die Zuschauer.

Sie sind in der Winterpause zum Tabellenführer gewechselt, da muss man doch die Spieler erst überzeugen, was zu ändern.

Das muss man immer. Ich habe sehr früh mit den Spielern telefoniert und als ich hier war, mit jedem gesprochen. Wenn ich heute merke, dass Spieler im Training überfordert sind, müde sind, dann reagiere ich.

Sie waren Nachfolger eines erfolgreichen Trainers, das ist doch schwierig.

Ich gucke nicht in die Vergangenheit, die Entscheidung, einen neuen Trainer zu holen, um bestimmte Dinge voranzubringen, hatten die Verantwortlichen von Holstein Kiel zu treffen.

Wie lange hat der Prozess gedauert, bis Falko Götz, der unter anderem bei Gladbach und Frankfurt im Gespräch war, in Kiel landete?

Neun Monate. Das Projekt wurde mir auf rührende Weise angetragen. Viele von den Jobs, die mir in der Ersten und Zweiten Liga angeboten wurden, waren Feuerwehreinsätze. Da bin ich nicht der Richtige. Ich sehe meine Stärken im Entwickeln, Ausbilden.

Der größte Unterschied zur Bundesliga …

… ist, dass ich jetzt viel mehr von meiner Arbeitszeit auf die Tätigkeit als Fußballlehrer verwende und nicht in erster Linie Öffentlichkeitsarbeiter bin.

Die Trainer der gegnerischen Mannschaften werden ihren Jungs sagen: Zeigt‘s dem Bundesligatrainer. Das ist fast wie ein Pokalspiel zwischen Bundesliga und vierter Liga.

Das hab ich auch so erwartet. Wir sind Tabellenführer, der Verein hat einen Ruf, der Trainer war in der Bundesliga. Damit kommen hier alle klar.

■ Größter Erfolg: 1912 Deutscher Fußball-Meister. 1:0 im Endspiel gegen den Karlsruher FV. Ernst Möller verwandelte einen Elfmeter. 10.000 Zuschauer waren im Hamburger Stadion Hoheluft.

■ Verpasste Chancen: 1963 Qualifikation für die neu gegründete Bundesliga verpasst, statt dessen Regionalliga Nord. 1974 hauchdünn – punktgleich mit Olympia Wilhelmshaven – nicht qualifiziert für die neue zweigleisige Zweite Bundesliga. Kiel nun drittklassig in der Oberliga Nord. 1978 Aufstieg in die Zweite Bundesliga Nord, nicht qualifiziert für die 1981/ 82 eingeführte eingleisige Zweite Liga.

■ Ziel: 2012 Zweite Liga TAZ

Wie bekommen Sie die langfristigen, strukturellen, und die kurzfristigen Ziele zusammen?

Priorität hat: Mit der ersten Mannschaft Erfolg haben, also der Aufstieg in die Dritte Liga. Am Ende der Saison wollen wir den Status quo ermitteln, dann beschäftigen wir uns mit dem Nachwuchs.

Fehlt Ihnen die Bundesliga?

Nö. Man kann hier ja alles aufbauen, alles verbessern. Ich weiß, dass ich nicht in der Bundesliga arbeite. Mir fehlt nichts. Ich sehe eine Kontinuität, die nichts mit der Liga zu tun hat, sondern mit meiner Arbeit.

Wann sollte man sehen, dass Ihre Arbeit fruchtet?

In einem Jahr sollte man Fortschritte sehen.

Was bedeutet es, wenn Trainerverpflichtungen davon abhängen, ob ein Tor in der Nachspielzeit fällt, und dann der alte Trainer bleibt – wenn der Zufall und nicht das Konzept des neuen Trainers entscheidet?

Diese Betrachtung ist nicht unzutreffend. Das hat auch etwas damit zu tun, dass ich hier bin und nicht in der Bundesliga. Ich war mir sicher, dass ich mit Kiel das Richtige mache, auch für mich, für meine Karriere.