Umstrittene Pandemie-Vorsorge

GRIPPEMITTEL Norden hält weniger vor als Rest der Republik und als das Robert-Koch-Institut empfiehlt. Hamburg und Bremen kalkulieren unterschiedlich

Eine Landkarte in der Talk-Sendung „Hart aber Fair“ dürfte so manchen Norddeutschen schockiert haben. Mit roter Farbe zeigte sie, dass die Regierungen der Nord-Bundesländer viel weniger Medikamente gegen die Schweinegrippe vorhalten als der Rest der Republik. Wer in Hamburg, Bremen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern oder Niedersachsen lebt, hätte im Falle einer Epidemie geringere Überlebenschancen, das suggerierte die Darstellung. Ob man das für wahr hält oder nicht, ist ein Rechenexempel.

Der Anteil der Bevölkerung, für die Medikamente gegen den Schweinegrippe-Virus vorgehalten werden, variiert zwischen 11,5 Prozent in den Nord-Ländern und 30 Prozent in Nordrhein-Westfalen. Die meisten Bundesländer halten sich an eine Empfehlung des Robert-Koch-Instituts (RKI): 20 Prozent.

Bei dem Wert handelt es sich um eine Schätzung. Nach Auskunft von RKI-Sprecherin Glasmacher wurden dabei die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen wie über 60 Jährige und chronisch Kranke addiert. Die Forscher gehen davon aus, dass wahrscheinlich 30 Prozent dieser Menschen erkranken würden und mit Medikamenten versorgt werden müssten. Dazu kämen Medikamente für medizinisches Personal und Ordnungskräfte, so dass insgesamt für rund 20 Prozent der Bevölkerung einschlägige Grippemittel wie Tamiflu oder Relenza gebraucht würden.

Angesprochen auf die Empfehlung des RKI versichert Rico Schmidt, der Sprecher der Hamburger Gesundheitsbehörde, im Stadtstaat stünden „ausreichend Medikamente zur Verfügung“. Zu den 11,5 Prozent, die der Senat vorhalte, kämen die Vorräte der Krankenhäuser, Unternehmen und Apotheken. Im übrigen seien die Pharmakonzerne heute in der Lage, schnell Nachschub herstellen zu können.

Die Bremer Gesundheitsbehörde rechnet anders als das RKI. Sie geht davon aus, dass 30 Prozent der Bevölkerung erkranken könnten, 30 Prozent davon wiederum so schwer, dass sie Grippemittel bräuchten. Das ergebe einen Bedarf für rund zehn Prozent. Dazu kämen 11,2 Prozent für Ärzte und Ordnungspersonal. GERNOT KNÖDLER