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SERVICE Der Wechsel zur neuen Telefonfirma sollte schnell gehen. Reibungslos. Doch dann war die Leitung tot – und eine Farce begann
■ Anbieterwechsel: Jeder Telefonkunde darf nach dem Telekommunikationsgesetz den Anbieter wechseln. Die Rufnummer kann der Verbraucher zur neuen Firma mitnehmen. Er kann die Kündigungsformalitäten diesem neuen Anbieter überlassen, was die Verbraucherzentralen empfehlen. So geschah es im beschriebenen Fall unserer Autorin, die dennoch seit Monaten kein Telefon mehr hat.
■ Probleme: „Es gibt häufig Reklamationen, dass mit dem Anbieterwechsel was nicht klappt“, berichtet Hannelore Brecht-Kaul von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. „Manchmal sitzen die Leute zwei, vier, sechs Wochen ohne Telefon da.“ Deutschlandweit. Auch Helga Zander-Hayat von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sagt: „Insbesondere bei den Komplettpaketen Telefon und Internet werden uns häufiger Probleme gemeldet.“
VON BETTINA GAUS
Wie bei vielen kurzlebigen Affären war der Anfang das einzig Schöne. Um nichts müsse ich mich kümmern, versprach ein lyrischer Tenor am Telefon. Der Wechsel des Telefonanbieters von der Deutschen Telekom zur 1&1 Internet AG werde so reibungslos vonstattengehen, dass ich es nur an den künftig niedrigeren Rechnungen bemerken werde. Höchstens für zwei oder drei Stunden sei meine Festnetzleitung während der Umstellung gesperrt. Man wisse, wie dringend die Kunden auf das Telefon angewiesen seien.
Ein nettes Gespräch. Zum ersten und vermutlich letzten Mal in meinem Leben bin ich telefonischer Werbung erlegen. Nun ist seit über zwei Monaten mein Telefon tot. Was als technische Störung begann, mündete in einen Rechtsstreit, dessen erste Etappe ich inzwischen gewonnen habe. Seither habe ich wieder Hoffnung. Allerdings noch immer keine Leitung.
Mein früheres Leben dauerte bis zum 26. Februar um 10.30 Uhr. Dann wurde mein Telefon umgestellt – seither ist der Anschluss nicht mehr erreichbar. Was jedoch der nicht weiß, der versucht mich anzurufen. Der hört nämlich ein Freizeichen.
Auf meine wiederholten Hilferufe per Mail reagiert meine neue Vertragspartnerin erst am nächsten Morgen, dafür dann aber beruhigend: „Aufgrund einer technischen Störung war Ihr Internetzugang eingeschränkt. Der Fehler wurde bereits behoben, sodass Sie Ihren 1&1 DSL-Anschluss wieder wie gewohnt nutzen können.“ Hm. Der Internetanschluss hatte problemlos funktioniert. Das Telefon hingegen ist noch immer tot.
Aber 1&1 empfiehlt „ein Firmware-Update“, und vielleicht hilft es ja. „Vielen Dank für Ihre Mitarbeit“, schreibt der Kundenservice. Mitarbeit? Davon war ursprünglich nicht die Rede gewesen. Es gibt auch keinen Anlass mir zu danken, denn ich kann gar nicht mitarbeiten. Ich verstehe die Anweisung für das Update nicht.
Neuer Hilferuf. Dieses Mal an Dennis, einen 21-jährigen Freund. Der Retter naht und installiert das Update. Ohne Ergebnis. Von seinem Handy aus telefoniert Dennis mehrfach mit der Servicehotline – für den kundenfreundlichen Mobilfunk-Tarif von 79 Cent die Minute. Geld für 1&1.
Die Hotline bietet eine Fülle von Erklärungen für das Problem an. Zunächst einmal: Der Fehler liege vermutlich bei mir. Bestimmt seien Kabel falsch gesteckt. Nachdem wir diese Möglichkeit unter telefonischer Anleitung – 79 Cent, 79 Cent, 79 Cent, 79 Cent – ausgeschlossen hatten, wird erklärt, der Router müsse „aktualisiert“ werden. Das bringt auch nichts. Danach – 79 Cent, 79 Cent – sollen wir ihn „zurücksetzen“. Wieder nichts.
Zwischendurch schicke ich erneut eine Mail an 1&1 und bitte um den Besuch eines Technikers. Antwort: „Einen Techniker vor Ort können wir Ihnen bedauerlicherweise nicht anbieten. Sind Ihre Anfragen hiermit noch nicht beantwortet, so können Sie uns gerne Termine zu einer Rückrufvereinbarung nennen.“ Rückrufvereinbarung? Die machen mir Spaß.
Ich besitze bisher kein Handy. Das ist exotisch, das kann man blöd finden, aber es ist nicht illegal. Und es ist nicht Bestandteil meines Vertrags mit diesem Dienstleistungsunternehmen, dass ich mir ein neues Gerät anschaffen muss, um mein altes weiter benutzen zu können. Der Kampf gegen das Handy war wahrhaftig nicht leicht, zumal in meinem Beruf als Journalistin. Diesen Erfolg lasse ich mir doch jetzt nicht von 1&1 zerstören.
Apropos Beruf: Ich arbeite von zu Hause aus und gelegentlich auch für andere Medien als die taz. Im redaktionellen Alltag werden Aufträge anderweitig vergeben, wenn freie Mitarbeiterinnen nicht sofort erreichbar sind. Oder gar: nie. Die Störung meines Festnetzanschlusses kostet mich Geld. Wie viel genau – das werde ich nie erfahren.
Am Nachmittag dann endlich eine konkrete Auskunft von einer Mitarbeiterin der Hotline. Meine Telefonleitung sei noch gar nicht freigeschaltet. Das könne bis zu 48 Stunden dauern. Ärgerlich, empörend. Aber doch auch Hoffnung spendend. Es ist Freitag. Vor Montag wird sich also nichts tun.
Doch, am Sonntag kommt überraschenderweise eine Mail von 1&1. Meine Rechnung. Am Montag dann die nächste Mail: „Leider war es uns nicht möglich, Sie telefonisch zu erreichen.“ Das verbindet das Unternehmen mit dem Rest der Welt. „Nennen Sie uns zwei Termine, an denen wir Sie vor Ort erreichen können. Bitte beachten Sie, dass diese Termine mindestens 4 Tage in der Zukunft liegen, damit diese eingehalten werden können.“ Der Kundenservice lässt also an dieser Stelle – wenn auch in missverständlichem Deutsch – erstmals durchblicken, dass ich mich offenbar auf eine längere Störung einrichten muss.
Das will ich aber nicht. Ich schildere meine berufliche Abhängigkeit vom Telefon, flehe um schnellstmögliche Abhilfe und verspreche, bis 16 Uhr in meiner Wohnung erreichbar zu sein. Keine Reaktion.
Am nächsten Tag kommt immer noch kein Techniker von 1&1, dafür aber wieder einmal Dennis. Mit Handy. Er ruft erneut mehrfach bei der Hotline an, hinterlässt seine Telefonnummer, bittet um Rückruf. Erfolglos. Eine Gesprächspartnerin bietet immerhin weitere Erklärungen an: Das Problem liege beim 1&1-Server. Eine Großraumstörung für Berlin sei gemeldet worden. Möglicherweise brauchte ich auch eine neue Telefonanlage.
Alles interessant, aber wenig hilfreich. Bei einem weiteren Anruf erfährt Dennis, die Störung sei „heute“ – also nach fünf Tagen – an die Technikabteilung weitergeleitet worden. Ich müsse mich gedulden, da es viele Kunden gebe, bei denen Probleme aufträten. Ich will mich aber nicht gedulden. Von Geduld hatte mein lyrischer Tenor beim Werbegespräch nichts gesagt.
Am nächsten Tag ruft Dennis erneut bei der Hotline an. Eine Mitarbeiterin behauptet, sie könne den Stand der Dinge von ihrem Computer aus nicht nachvollziehen. Die Technikabteilung sei befasst. Eine Weiterleitung des Anrufs dorthin sei ihr nicht möglich. Dennis hinterlässt ein weiteres Mal seine Telefonnummer und bittet um Rückruf. Der kam nie.
Es tröpfeln dann noch ein paar Mails von 1&1 ein. Einmal werde ich darum gebeten, meine Zufriedenheit mit dem Service zu bewerten. Einmal wird mir mitgeteilt, dass eine Telefonnummer einwandfrei funktioniert, die ich nicht kenne. Was mich aber für deren Benutzer durchaus freut. Mehrfach werde ich außerdem streng darauf hingewiesen, dass ich telefonisch noch immer nicht erreichbar sei, und nachdrücklich aufgefordert, eine Rückrufnummer zu übermitteln.
Mir reicht es jetzt endgültig. Ich will den auf zwei Jahre abgeschlossenen Vertrag mit 1&1 kündigen, sofort, fristlos. Wie soll ich – selbst wenn die Störung eines fernen Tages behoben sein sollte – mit einem solchen Unternehmen als Vertragspartnerin im Hintergrund verlässlich eine wichtige Verabredung treffen? Beispielsweise für ein Live-Telefonat mit einem Hörfunksender? Bloß raus hier und die Verluste abschreiben. Jetzt aber wacht 1&1 auf und zeigt den Stahl unter dem Samthandschuh.
Kündigung? Ein Opfer will fliehen? Kommt ja gar nicht in Frage. Auszug aus der nächsten Mail: „Eine sofortige Kündigung weisen wir an dieser Stelle und zu diesem Zeitpunkt zurück. Diese wäre gegebenenfalls dann möglich, wenn wir gemeinsam mit Ihnen alle Fehlerquellen ausgeschlossen haben und dennoch keine Lösung erreicht wurde.“ Und weiter: „Aus diesem Grunde habe ich Ihnen die Rückrufmöglichkeit eines Technikers angeboten. Wir benötigen hierfür weiterhin eine vorhandene Rückrufnummer, welche erreichbar ist.“
Ja, die benötige ich auch. Und außerdem brauche ich jetzt offenbar einen Anwalt. In meinem Auftrag erneuert dieser Ritter in schimmernder Rüstung meine fristlose Kündigung und fordert 1&1 auf, meine alten Rufnummern für einen anderen Anbieter freizugeben. Solange das nicht geschehen ist, käme ich nämlich – Tücken der Technik – nicht einmal dann an ein Telefon, wenn ich bereit wäre, die Monatsrechnungen von zwei Anbietern gleichzeitig zu bezahlen. Was ich inzwischen vermutlich sogar täte, einfach, um den Ärger los zu sein.
1&1 gibt die Nummer nicht frei.
Schwerere Geschütze müssen aufgefahren werden. Mein Anwalt erwirkt eine einstweilige Verfügung beim Amtsgericht Charlottenburg, der zufolge wenigstens eine meiner alten Rufnummern freigegeben werden muss. Ich singe und tanze. Bis ich erfahre, dass die Gegenseite eine ziemlich lange Frist hat, um sich zu überlegen, ob sie Einspruch einlegt. Diese Frist reizt 1&1 bis zum letzten Tag aus.
Inzwischen tut sich was. Vermutlich werde ich demnächst wenigstens eine meiner drei Festnetznummern zurückbekommen. Aber das Verfahren darüber, ob ich nun zur Kündigung berechtigt bin, hat nicht einmal begonnen. Das kann dauern – und bedeutet Arbeit.
Dienstleistungsgesellschaft? Nein. Privatisierung schafft Freiheit und größere Autonomie für die Kunden? Bloß weg mit den staatlich kontrollierten Monopolen? Na ja. Gerade hat 1&1 übrigens wieder eine Rechnung geschickt.