Kohle schwelt weiter

Auch im Jahr 2020 soll in NRW vor allem Kohle verstromt werden. Regenerative Energien spielen laut dem RWI nur eine Nebenrolle

„In NRW gibt es weder die Wasserkraft wie im Süden Deutschlands noch den Wind des Nordens“

von CHRISTOPH SCHURIAN

Die einstige „Abteilung Westen“ der deutschen Konjunkturforscher nennt sich heute Rheinisch-Westfälisches Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) und sorgt im Westen für reichlich Wirbel.

Am Montag ging das in Essen beheimatete RWI mit einem Gutachten an die Öffentlichkeit: Auch in siebzehn Jahren fuße die Stromerzeugung in NRW vor allem auf der Verstromung von Stein- und Braunkohle, 75 Prozent würden aus dem Fossilmaterial gewonnen. Erdgas werde um sieben Prozent auf knapp 20 Prozent zulegen können. Hingegen würden erneuerbare Energieträger bis 2020 „kaum die 5 Prozent Marke überschreiten“. Pikant: Zeitgleich weilte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) in Düsseldorf und warb für den Ausbau der Windenergie im Land.

Das Gutachten im Auftrag des parlamentarischen Gutachterdiensts des Landtags wurde vom RWI vorgestellt, ohne es den Parlamentariern vorab zur Verfügung zu stellen.

Reiner Priggen, energiepolitischer Sprecher der Landtags-Grünen, spricht von einem obskuren Vorgehen: Gutachten im Auftrag des wissenschaftlichen Landtagsdienstes würden zunächst den Parlamentariern bekannt gemacht und nicht der Öffentlichkeit. Zudem sei die Studie ein Rudiment: Nur elf von hundert Seiten liegen vor. Etwas vorzustellen, bevor es fertig sei, sei befremdlich, so Priggen. Mit der Überschrift „Braun- und Steinkohle bestimmen weiterhin den Energiemix“ suggeriere die Studie leider eine gewisse „Kohlelastigkeit“.

Auch wenn das Vorpreschen der Wirtschaftsforscher verwundert – die Zahlen werden nicht bezweifelt. Christian Dahm, Berater der Energieagentur NRW in Wuppertal bestätigt die etwas magere Bilanz erneuerbarer Energieträger in NRW – das RWI schätzt deren Anteil auf nur 1,5 Prozent an der Stromversorgung: „Wir haben zwar bundesweit einen Anteil von acht Prozent erreicht, in NRW gibt es aber weder Wasserkraft wie im Süden der Bundesrepublik, noch den Wind des Nordens“, sagt Dahm. Zuwächse verspreche er sich von der Wasserkraft, so könnten die Wehre an Schleifmühlen und Hammerwerken im Siegerland oder Bergischen zur Stromerzeugung herangezogen werden.

Der Energiepolitiker der FDP-Fraktion im Landtag, Gerhard Papke, sieht seine Politik von den Ergebnissen der Studie bestätigt: „Es ist klar, dass Steinkohle und Braunkohle auf lange Sicht für den Energiemix in NRW unverzichtbar sind.“ Doch bis dahin werde die zu teure heimische Steinkohle längt von der Importkohle verdrängt sein, glaubt der Parlamentarier. Der Anteil von erneuerbaren Energien an der Stromversorgung sei nun einmal nicht beliebig steigerbar, „Es sind dem enge technische Grenzen gesetzt“, weiß Papke.

Selbst Reiner Priggen stört sich nur am Prozedere, nicht an den Zahlen. Immerhin prognostiziere das RWI eine Verdreifachung der erneuerbaren Energien. Dass es auch 2020 einen gewaltigen Kohlesockel bei der Energiegewinnung im Lande gebe, sei nichts Neues. So starte RWE/Rheinbraun erst Ende des Jahrzehnts eine neue Braunkohle-Abbaustufe und habe Abbaugenehmigungen bis 2040.