Mehrsprachigkeit ist keine Zauberei

KÖLN taz ■ „Die Hälfte aller Kinder mit Migrationshintergrund – und das sind 40 Prozent aller Kölner Kinder – erreicht nur die unterste Kompetenzstufe, wenn sie einen deutschen Text lesen sollen.“ Mit diesen Worten schränkte am Montagabend während einer Podiumsdiskussion im Domforum Thomas Jaitner von der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Migrantenvertretungen (LAGA) sein Lob auf die „Multi-Kulti-Stadt Köln“ ein, in der Deutsch so häufig gesprochen wird wie Türkisch oder Polnisch. Wie den fehlenden Kenntnissen abgeholfen werden könne, war Thema der Veranstaltung „Mehrsprachigkeit – Eine Chance für alle“mit Vertretern aus Politik und Forschung sowie Pädagogen. Vorschläge gab es dabei viele, wann und wie sie allerdings umgesetzt werden, blieb offen.

Jaitner plädierte für einen „Verbund von Grundschulen, in denen auch die Muttersprache der Kinder gelehrt wird“. Denn ohne deren Kenntnis könnten sie kein Deutsch lernen. Neben dem von ihm geforderten „Kompetenzzentrum Deutsch zur Lehrerfortbildung“ setzte sich Susanne Kayser-Dobiey (FDP) für eine „Schaffung zusätzlicher Lehrstellen trotz der „kommunalen Zwanglage“ ein.

Gerade die Kommune könne aber „im Elementarbereich viel bewegen“ – auch ohne „große finanziellen Mittel“, bestätigte Susanna dos Santos (SPD). „Wir müssen Wege aufzeigen, mit den gegebenen pädagogischen Mitteln erfolgreicher zu sein.“ Zudem sei „die Mehrsprachigkeit für Kinder gar kein Problem“ und durch den interkulturellen Alltag an Schulen und Spielplätzen „eine Selbstverständlichkeit“. Eins weiß die Mutter und Politikerin dabei aus eigener Erfahrung: Würden Migrantenkinder ihre Muttersprache richtig lernen, „könnten sie in die deutsche Sprache hineinwachsen“.

Daran knüpfte auch Petros Katsikaris (PDS) an: In Deutschland herrsche „immer noch eine Entweder-oder-Kultur“, dies ginge aus der PISA-Studie hervor. Schließlich habe PISA-Primus Finnland „mit seiner Sowohl-als-auch-Mentalität“ bewiesen, dass Mehrsprachigkeit der Schlüssel zum Erfolg sei.

Die Kölner Ratskoalition, vertreten durch die Grüne Angelika Winkin und den CDU-Politiker Jürgen Hollstein, stimmte dem zu. Hollstein bestätigte den „parteipolitischen Konsens“ in Sachen Mehrsprachigkeit. „Sprache ist keine Privatsache, sondern ein gesellschaftliches Anliegen.“ Er nannte Essen als Paradebeispiel für die Umsetzung mehrsprachiger Erziehungskonzepte. Dies lasse sich die Ruhrstadt jährlich 100.000 Euro kosten. Seine Koaltionspartnerin Winkin betonte, dass „seitens des Schulausschusses bereits Impulse zur Lehrerfortbildung gegeben wurden“.

Alle waren sich einig: Zweisprachigkeit setzt in Kindergärten und Grundschulen an. Genauso müssen die Eltern ihren Kindern Sprachnachhilfe geben und nicht alles dem Staat überlassen – Sprache ist jedermanns Sache. JOHANNES ZENNER