Ärger und Unverständnis über Uferbebauung

Bei einer Anhörung zum Bauvorhaben der HGK im Mülheimer Hafen ging es hoch her. Die Bürger fürchten steigende Hochwasserpegel. Sie beklagen, der öffentliche Zugang zum Rhein werde verbaut. Morgen stimmt der Kölner Rat ab

KÖLN taz ■ Aufgebracht waren die rund 50 Mülheimer im Bezirksrathaus am Wiener Platz nach zwei Stunden Diskussion mit Vertretern der Ratsparteien über das Bauprojekt „Wohnen am Strom“. „Wer steckt sich da wieder die Taschen voll?“, wollte ein Bürger wissen. „Wir zahlen das!“, rief eine Frau aus dem Publikum. Die Hafen- und Güterverkehr Köln (HGK) möchte am Mülheimer Hafen 130 Luxuswohungen errichten lassen. Dagegen regt sich massiver Protest, seit die Stadt den mit den Bürgern abgesprochenen Bebauungsplan radikal geändert hat.

Der Streit um die geplanten Wohnungen im Mülheimer Hochwassergebiet zieht sich schon seit mehr als sechs Jahren. Der Bebauungsplan für den Mülheimer Hafen widerspreche nicht nur dem seit 1990 verfolgten Stadtteilsanierungskonzept, sondern vor allem dem Hochwasserschutz, dem Wasserhaushaltsgesetz, der Landesbauordnung und dem Kölner Leitbild von der barrierefreien Stadt, so der Tenor der Bürgerinitiaitive Mülheim-Süd (BI), die zu der Bürgeranhörung geladen hatte. Morgen soll im Rat der Stadt ein Satzungsbeschluss für die Bebauung gefällt werden.

„Zukunft gestalten oder verbauen?“ war die suggestive Frage am Montag Abend. Für die im Rat vertretenen Parteien hatten sich Stefan Götz (CDU), Michael Zimmermann (SPD), Barbara Moritz (Grüne), Norbert Hilden (FDP) und Jörg Detjen (PDS) in die Höhle des Löwen gewagt, obwohl alle außer Detjen dem Beschluss zustimmen wollen. Vom Investor HGK war niemand anwesend.

Götz, Zimmermann und Hilden machten klar, dass sie sich von dem Bebauungsplan ein „Signal“ für Mülheim erwarteten, wie Götz es formulierte. Moritz argumentiert zunächst vehement gegen die „Trutzburg“, die sie als „grotesk und unmöglich“ bezeichnete. Umso mehr Unverständnis erntete Moritz daraufhin für ihr Statement: „Ich stimme aus Koalitionsräson zu, aber ich stehe nicht dahinter.“ Eine Frau aus dem Publikum wollte wissen: „Warum soll ich Sie dann noch wählen?“

Detjen schlug vor, die Entscheidung zu vertagen. Doch als Moritz den Vorschlag aufgriff, machte ihr Koalitionspartner Götz klar, dass „nun nach zehn Jahren endlich mal eine Entscheidung getroffen werden muss“. Über Details könne man danach verhandeln. „Die öffentliche Zugänglichkeit müssen wir sicher nochmal hinterfragen“, sagte Götz. Die BI hatte moniert, dass die HGK-Wohnungen den Stadtteil vom Rhein abschnitten. „Ich sehe schon die Steine, die in die Luxuswohnungen fliegen“, sagte eine Mülheimerin.

Hintergrundinformationen zur Überflutungsfrage lieferte Thomas Kahlix von der Bürgerinitiative Hochwasser Altgemeinde Rodenkirchen. „Köln ist ein Negativbeispiel dafür, wie man mit flussnaher Bebauung versucht, die letzten Lücken zu schließen“, redete er den anwesenden Politikern ins Gewissen. Mit „geschönten Umwelt-Bilanzen“ versuche die Stadt, das extreme Sicherheitsrisiko für die Einwohner zu verbergen. Bei einer Überflutung im Ausmaß des Elbhochwassers 2002 seien in Köln Schäden in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zu erwarten. „Das unsolidarische Verhalten der Stadt Köln verschlechtert auch die Chancen für Rückhaltemaßnahmen am Oberrhein und an Mosel, Nahe, Saar, Main und Neckar“, warnte der Biologe.

SEBASTIAN SEDLMAYR