Der Traum von Turm am Rhein

Die vier Kölner Ratsfraktionen wollen morgen dem Bau eines 103,2 Meter hohen Gebäudes in Deutz zustimmen. Keiner versteht, warum der LVR ein Hochhaus bauen will, das mäßige Rendite verspricht

VON SEBASTIAN SEDLMAYR

Abstimmung im Kölner Stadtrat: Alle vier Fraktionen heben die Hand und stimmen damit dem Bau eines 103,2 Meter hohen Wolkenkratzers in Deutz zu, den die Fraktionssprecher noch vor drei Jahren im Stadtentwicklungsausschuss rundweg ablehnten. CDU und Grüne haben sogar ihren Koalitionsvertrag geändert, um dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) den Traum vom Turm am Rhein zu ermöglichen.

In der Begründung zu dem Beschluss, der morgen im Rat gefällt werden soll, heißt es: „Unbefriedigend und unvertretbar“ sei die Rendite von unter 3 Prozent bei einer Gebäudehöhe von 91 Metern, der bis September 2002 vorgesehenen Höhe. Erst mit 103,2 Metern werde der Vermieter „eine vertretbare Rendite erreichen“. Wie hoch diese sein soll, steht nicht in der Begründung. Aus der Kalkulation vom Juli 2002 geht jedoch hervor, dass die Rendite auch bei einer Gebäudehöhe von 103,2 Metern nicht mehr als vier Prozent betrüge – verglichen mit anderen Anlageformen für ein geschätztes Investitionsvolumen von annähernd 100 Millionen Euro eine lausige Gewinnaussicht.

Elias Müller, beim Kölner Immobilien-Service Atis Real Müller für Investment zuständig, kann nicht nachvollziehen, weshalb ein Investor mit so geringen Renditeerwartungen einsteigt. „Das käme auch vom Faktor her gar nicht hin“, wundert sich Müller. Er könne sich höchstens vorstellen, dass der LVR, dessen Rentenversicherungskasse RZVK das Geld geben will, sehr konservativ kalkuliert. Soll heißen: Der LVR setzt die Renditeerwartung bewusst niedrig an, um keine böse Überraschung zu erleben.

Auch den Grünen kommt der Hochhausdeal komisch vor. Eine „unglaubliche Wandlung“ hätten CDU, SPD und FDP seit 2001 vollzogen, heißt es in einer Pressemitteilung der Grünen. Sie wollen der Beschlussvorlage morgen dennoch Zähne knirschend zustimmen: „Wenn wir dagegen votieren, bringt es auch nichts, weil CDU, SPD und FDP dafür stimmen“, sagt die grüne Fraktionsvorsitzende Barbara Moritz. Sie verteidigt ihre Position mit dem Hinweis auf das politische Tauschgeschäft, das die schwarz-grüne Koalition am 27. November vollzogen hat: Die CDU bekommt die Stimmen der Grünen für den 103,2 Meter hohen Turm, die Grünen freuen sich, dass ihrer Forderung nach einem Hochhauskonzept für ganz Köln entsprochen wird, das laut Vereinbarung noch im ersten Halbjahr 2004 im Rat beschlossen wird. Zweiter Punkt für die Grünen: Die Teilbebauung der Rennbahnfläche in Weidenpesch wird auf Eis gelegt (taz berichtete).

Auch SPD und FDP wollen dem LVR-Turm zustimmen. Die geringe Renditeaussicht des Investors macht sie nicht stutzig. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Michael Zimmermann hofft, dass der Turm als „Kraftzentrum“ auf die Umgebung „ausstrahlt“. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Breite sagt: „Wir wollen ein modernes Köln rechtsrheinisch und ein historisches linksrheinisch. Dazu passen die Hochhäuser wunderbar.“

Das sehen die Fachleute vom Bund deutscher Architekten (BDA) anders. „Ich sehe zwischen den fünf im Rechtsrheinischen geplanten Hochhäusern keinen Zusammenhang“, sagte Kölns BDA-Vorsitzender Christian Schaller der taz. „Eine Skyline entsteht entweder in einer Gesamtsilhouette oder die Bauten müssen einzeln wirken.“ Beides sehe er in Deutz nicht, so Schaller. Besonders scharf kritisiert der Architekt, wie die Entscheidung für den LVR-Turm gefallen ist. Diese „Nacht-und-Nebel-Aktion“ sei eine „Verwilderung der Sitten“. Kölns Stadtspitze habe die „Klientelpolitik auf die Spitze getrieben“.

Mehr als fünfzig Persönlichkeiten aus dem Baugewerbe haben nun einen letzten Appell an die Ratsfraktionen gerichtet. Die Hochhäuser sollten ihrer Ansicht nach nicht in der vorgesehenen Nähe zum Dom gebaut werden. „Das kostet den Dom seine beherrschende Stellung im Stadtbild“, heißt es in dem vom BDA initiierten Appell.

Das ist auch die Ansicht der UNESCO-Unterorganisation Icomos und des Rheinischen Vereins für Denkmalpflege und Landschaftsschutz. Doch allen Kassandra-Rufen zum Trotz: Von den im Rat vertretenen Parteien will nur die PDS gegen den hohen Hochhausbau stimmen. „Wir meinen, dass solche Projekte nicht förderlich sind für eine soziale Stadtgestaltung“, sagt PDS-Ratsherr Jörg Detjen.

Leider wollte der Hauptverantwortliche für den Hochhausbau, LVR-Direktor Udo Molsberger, nicht mit der taz über die vielen offenen Fragen sprechen. Molsberger ließ ausrichten, er wolle sich zu dem Thema nicht mehr öffentlich äußern. „Wir sind sehr glücklich über die Entscheidung, die jetzt im Rat getroffen wird“, sagte der LVR-Pressesprecher Achim Hermes.