WOCHENÜBERSICHT: KUNST
: Meike Jansen schaut sich in den Galerien von Berlin um

James Nachtwey „War Photographer“, C/O Berlin, Linienstr. 144, bis 29. 2., tgl. 11–19 Uhr

Etwa 200 Abzüge des Fotografen Weegee umfasst die Berinson-Sammlung, die in der gleichnamigen Galerie zu sehen ist. Mit den 76 ausgestellten Bildern ist der Raum prall gefüllt. Man muss sich konzentrieren, damit die Motive nicht ineinander verschwimmen. Was schade wäre, denn noch rund 60 Jahre nach dem Entstehen sind solche Dokumente sozialer Zerrissenheit selten. Doch was macht die Bilder dieses Pressefotografen, die in enger Zusammenarbeit mit der Polizei in Manhatten zu Zeiten der großen Depression entstanden sind, so besonders? Entscheidend ist, dass keine Geste gestellt wirkt. Life is bigger as film. Dafür hatte Weegee ein Auge. Die Leichname Krimineller zeugen genauso davon wie die skurrilen Damen der High Society. Ob namenlose Obdachlose oder Präsident Roosevelt: Weegee bringt sie zusammen – die Lebenden, die Toten und diejenigen, bei denen man nicht weiß, in welchem Zustand sie sich im Moment der Aufnahme befanden. Zeitlose Dokumente jenseits des Voyeurismus, von einem Mann, der selbst Jahre auf der Straße lebte.

Einen komplett anderen Blickwinkel hat James Nachtwey eingenommen. Die Wirkungsstätten des Antikriegsfotografen, wie er sich selbst bezeichnet, sind die Krisengebiete dieser Welt – seit über 20 Jahren fotografiert er Terror, Mord und Elend. Der mehrfach preisgekrönte Fotoreporter sieht seine Arbeit als Zeugenaussage. Es scheint also schwer verständlich, warum in dem begleitenden Text von Robert Dannin die Rede von „rassischen Minderheiten“ ist. Ein Übersetzungsproblem? So einfach kann das nicht abgetan werden. Zu theatralisch inszeniert Nachtwey das Grauen und rückt damit die Protagonisten in den Hintergrund, richtet den Focus auf die komplexen Geschichten, die allerdings nicht in wenigen Bildern ausreichend erzählt werden können.

Weegee (1899–1968), Galerie Berinson, Auguststr. 22, bis 10. 1., Di.–Sa. 14–19 Uhr