berliner szenen Warten auf Weihnachten

Adoptiveltern gesucht

Eines der Ku’damm-Kaufhäuser hat seine Schaufenster mit „Szenen aus Bullerbü“ dekoriert: unablässig mit dem Kopf nickende Lindgren-Marionetten, gleich einer großen, schwedischen Parkinson-Party. Lasse, Bosse und Ole oder Inga, Britta und Tjure, ach nein, der war aus „Wickie“, also Madita und Pims und Linus-Ida und Halvar fahren in gemütlichen Schlitten durch den Schnee oder besuchen Krösamaja in ihrer kleinen Hütte, zu der alten Dame passt das Nicken auch vorzüglich.

Neidisch muss man auf die verdammten Schweden werden! Alles, aber auch alles ist besser da. Im Parlament sitzen vernünftige Frauen, im Sommer ist es prima und man kann nach Saltkrokan oder Bullerbü oder Appelkullen fahren und dort schwedische Blätterteigkuchen essen und mit netten Hunden spielen, und der Winter ist der Gipfel: Schweinerippchen, Heringssalat, Stockfisch, Safrankränze, Schürzkuchen, was auch immer das ist. Und fast nur blonde Männer. Toll.

Hier dagegen schmeckt die Schokolade aus sämtlichen Adventskalendern so scheußlich, dass sie nicht mal gegen den alltäglichen Schokoladenjieper taugt. Selbstgebackene Plätzchen bekommt nur, wer die entsprechenden Eltern vorweisen kann, und die Männer tragen Bundfaltenhosen und Steppjacken gegen den Möchtegernschnee.

Wenn eine dieser glücklichen Settergren-Familien mich doch nur über Weihnachten adoptierte! Ich würde gerne in der Küche mithelfen, die Wohnung mit Krepppapier schmücken, die Pferde striegeln und satteln, um frische Eier vom Nachbarhof zu holen, und mit den erwachsenen Söhnen spielen, saunieren oder Pornos drehen. Bei der laschen Anti-Einwanderungspolitik muss das doch zu schaffen sein!

JENNI ZYLKA