strafplanet erde: daheim bei dr. kuech. psych. von DIETRICH ZUR NEDDEN
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„Ist das alles?“, fragte meine Agentin und blickte mich wie aus weiter Ferne zurückkehrend urplötzlich aus ihren aquamarinen Augen an. „Ja“, sagte ich, „Zigarette?“

Die Flammen im Kamin meiner Finca züngelten lüstern, bevor sie sich kerzengerade in den unsichtbaren Nachthimmel der Insel verabschiedeten, während ich zum soundsovielten Male bedauerte, dass meine Agentin und ich gleich zu Beginn unserer Zusammenarbeit beschlossen hatten, es bei einer rein geschäftlichen Beziehung zu belassen, was immer geschehen würde. Wie lange war das jetzt her? Und wie oft hatte ich es bereut?

Gut, ich konnte nicht klagen, sie machte ihren Job so fantastisch wie sie aussah, ein Beweis dafür war um uns herum, mein Winterquartier auf Formentera, von der Villa am Starnberger See gar nicht zu reden. Aber die Dämonen der Versuchung schlummerten nur und wurden gelegentlich wach, und dieses Spiel mit dem Feuer würde bis zum St. Nimmerleinstag dauern.

Ich hatte ihr ein paar Projekte, Konzepte, Ideen grob umrissen, dann war sie zu einem Arbeitsbesuch angereist, und wir hassten es beide, das Finanzamt auszutricksen, das hatten wir nicht nötig, die Jahresbilanzen waren immer vollkommen korrekt. Mit meinen Vorschlägen, das schloss ich aus ihrer Frage, war sie zufrieden, aber sie war nicht begeistert. Es war nichts dabei, das dieses Funkeln in ihrem Blick zum Strahlen brachte. Das hatte ich geahnt, vorausgesehen und deshalb das Beste aufgespart, ein Scherz, den ich mir des Öfteren gönnte, wahrscheinlich eine Art Kompensation des nagenden Verzichts, auf der Tastatur meiner Verführungskunst spielen zu dürfen.

„Wie wäre es denn …“, sagte ich nun beiläufig, zündete mir eine Romeo y Julieta an und füllte die Gläser mit einem komplexen und eleganten „Warre’s 1985 Vintage Port“ nach, „… was hältst du von einem radikal neuen Buch für das Marktsegment der Ratgeber-Literatur?“ Sie stutzte. Wir beide hatten schon einiges verhökert, in letzter Zeit vor allem küchenpsychologische Bücher. Zugegeben, nicht die Königsdisziplin in den Printmedien, aber höchst profitabel. „Wenn der Eismann-Mann kommt … Was Sie tun können, wenn der Bofrostmann im Schrank steckt“ zum Beispiel, und „Quarkbällchen sind keine Windbeutel“.

Ich nahm einen weiteren Anlauf, aber vorher noch einen Schluck von dem opulenten Portwein, dessen reiche Trauben nur an den Hängen des Douro zu Hause sein konnten: „Zuerst war der Titel da“, sagte ich, „hör zu: ‚Augen auf beim Amok-Lauf – Damit Sie auch die treffen, die Sie treffen wollen‘.“ Ich wartete auf eine Reaktion, und wie vermutet war es nur ein kaum merkliches, stummes Erstaunen. Sie ist Profi genug, um keine Gefühle zu zeigen. „Ich hänge das an Fallbeispielen aus der Alltagspraxis auf“, fuhr ich fort, „scheinbar harmlose Ausgangssituationen. Ich meine, man muss doch die Leute da abholen, wo sie sich auskennen, oder? Die meisten wissen doch gar nicht, wie wütend sie sind.“

Sie blickte in die Flammen, ein Holzscheit knackte, dann noch eines. „Übrigens“, sagte sie, „ich habe da noch einen Auftrag zu vergeben. Service-Broschüren für die Müllcontainer-Industrie. Hast du Interesse?“