KOMMENTAR VON ANDREAS SPEIT
UND KAI VON APPEN
: Blind nach Schuldigen gesucht

Der Senator sollte nicht die „Rote Flora“ attackieren, sondern die Amüsier-Piazza

Es war nicht anders zu erwarten: Kaum haben die Kehrmaschinen den Müll im Hamburger Schanzenviertel beseitigt, meldet sich CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus zu den Krawallen zu Wort: Die linksextremistische und autonome Szene sei es gewesen, die unter dem „Deckmantel“ traditioneller Mai-Kundgebungen durch Angriffe und Gewaltexzesse gegenüber der Polizei mit Steinen und Brandsätzen ihre rechtsfreien Räume erkämpfen wolle.

Gerade wenn ein Innenpolitiker auch nur den Hauch von Kompetenz zur Schau zu stellen vorhat, empfiehlt es sich, umso genauer hinzuschauen. Sicher hat der eine oder andere Autonome bei den Krawallen am Abend des 1. Mai mitgemischt – kein Wunder, wenn die Wasserwerfer vor der eigenen Haustür hin- und herfahren. Doch zu verantworten hat die Krawallnacht das unpolitische Partyvolk.

Gewalt als Spaß-Kultur, ausgeübt von den so genannten ganz normalen Leuten – da stellt sich nicht erst jetzt die Frage: Was machen Lokalpolitiker aus dem Schanzenviertel? Welche frustrierten soziokulturellen Schichten werden durch Gentrifizierung und Schaffung von Ausgeh-Meilen angelockt?

Wenn der Innensenator solche Krawalle zukünftig verhindern möchte, sollte er nicht reflexhaft die Rote Flora attackieren. Sondern genau hinsehen – und konsequenterweise die Amüsier-Piazza schließen.