Behindertenpolitik geht auch Stadtplaner an

Die Bilanz Kölner Sozialpolitiker zur Situation behinderter Menschen in der Stadt fällt ein Jahr nach dem Aktionsjahr 2003 mehr als ernüchternd aus. Nach wie vor haben etwa Rollstuhlfahrer oder Blinde mit Barrieren zu kämpfen

Köln taz ■ „Wenn man 2003 in das Jahr für Menschen mit Behinderungen so viel Geld und Energie reingesteckt hätte wie in die Kulturhauptstadtbewerbung oder die kommende Fußball-WM, wäre die Öffentlichkeit sicher problembewusster uns gegenüber.“

Frank Keils von der Multiple-Sklerose-Gesellschaft Köln blickt skeptisch auf die Kölner Aktionen des „Jahres für Menschen mit Behinderungen“ zurück. Jetzt, Ende 2004, sei die Lage „immer noch sehr bescheiden“, konstatierte er im Vorfeld einer Podiumsdiskussion, bei der Sozialpolitiker von CDU, SPD, FDP, PDS und Grünen im Rathaus eine Bilanz zur Situation behinderter Menschen in Köln zogen. Und die fiel mehr als ernüchternd aus.

Zwar gibt es seit einem Jahr einen Arbeitskreis „Behindertenpolitik“, in dem sich Vertreter von Selbsthilfegruppen, Wohlfahrtsverbänden, Politik und Verwaltung treffen. Der kam in diesem Jahr sogar schon drei Mal zusammen. Doch er hat bestenfalls eine beratende Stimme. So steht die Einrichtung eines „Behindertenbeauftragten“ ganz oben auf der Wunschliste der Betroffenen. Der könnte Einfluss nehmen auf Entscheidungen der Verwaltung.

Etwa bei der Vergabe von Bauarbeiten für die neue Nord-Süd-U-Bahn. So stellte Horst Ladenberger vom Zentrum für selbstbestimmtes Leben fest: „Beim Köln-Marathon ist es kein Problem, kurzfristig für Skater die Höhenunterschiede bei Bordsteinen weg zu asphaltieren, bei den Baustellen für die Nord-Süd-U-Bahn scheint das unmöglich zu sein.“ Zudem würden etwa am Heumarkt laufend die grundsätzlich zu engen Wege verlegt. Dass sei nicht nur für Rollstuhlfahrer und Blinde, sondern auch für Frauen mit Kinderwagen oder alte Menschen ärgerlich. Von der Stadt verlangte Ladenberger, mit den Baufirmen entsprechende Verträge abzuschließen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Etwa durch den Behindertenbauftragten.

Der könnte auch, so die Hoffnung, die Grenzen des „Sozialbereichs“ sprengen, in denen die Probleme behinderter Menschen bislang abgehandelt werden. Noch zu wenig zuständig fühle sich etwa das Verkehrsdezernat oder die Stadtplanung. Lediglich der CDU-Politiker Bernd Ensmann bezweifelte den Nutzen eines Behindertenbeauftragten: „Er kann die vielen Stimmen nicht unter einen Hut bringen.“

Ein anderer Punkt ist weiterhin die KVB. Noch immer nicht gibt es an allen U-Bahnstationen Aufzüge. Das Einsteigen wird durch unterschiedliche Höhenniveaus von Bahnsteig und Wagen erschwert, oft genug klafft zwischen beiden ein für Rollstuhlfahrer unüberbrückbarer Spalt. Weiter fehle es an optischen Informationen für Sehbehinderte und an akustischen für Gehörgeschädigte.

Für die KVB allerdings fühlt sich die Politik nicht zuständig, auch wenn sie dort im Aufsichtsrat sitzt. Eine weitere Forderung war die nach einer Förderung des sozialen Wohnungsbaus, da es nicht genug preisgünstige und barrierefreie Wohnungen gibt. Kritik gab es schließlich noch an den städtischen Einsparungen beim Fahrtendienst, durch die viele Behinderte von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen würden.

Die Kritik an der Zentralisierung der städtischen Verwaltung verteidigte der Grüne Ossi Helling: „Wenn wir durch diese Umstrukturierung, wie geplant, 60 Millionen Euro einsparen, haben wir auch wieder mehr Geld für soziale Aufgaben.“ Jürgen Schön