Lasst Karten sprechen!

Profile Intermedia nennt sich das alljährliche Designer-Schaulaufen in Bremen: Als erste Arbeitsprobe im Gestalter-Business hinterlassen Visitenkarten einen bleibenden Eindruck

Von Klaus Irler
und Benno Schirrmeister

Es geht darum, mehr als bloß Präsenz zu zeigen. Schon auf diesem kleinen Stückchen Karton. Oder besser: Gerade auf diesem kleinen Stückchen Karton, das den Namen, die Adresse, die Fachrichtung, die Koordinaten übermittelt. Die Visitenkarte, die man auf der „Profile Intermedia“ tunlichst jenen Leuten zusteckt, die es bereits geschafft haben. Jenen, die auf den Thronen der Designbranche sitzen,und vielleicht irgendwann per Zufall das in Bremen zugesteckte Kärtchen wieder in die Finger bekommen. Das ist der Augenblick: Jetzt hängt alles davon ab, ob das kleine Stück Karton das wohlgefällige Augenmerk des Gestaltergurus erregt, so dass der lässig die Nummer tippt und den hoffnungsvollen Jungdesigner contacted – oder das Kärtchen in den Papierkorb schnippt. Die „Profile Intermedia“ ist ein Schaulaufen der Visitenkärtchen: Es muss auffallen. Es muss individuell sein. Es darf nicht stören. Es muss alles Nötige über Geschmack, Anspruch und Designrichtung aussagen. Aber nichts darüber hinaus. Die taz wagt den Querschnitt durch die wahre Königsdisziplin der Branche.

Königsklasse

Wir haben es geschafft. „The Mill – Barnsley“ steht auf der Karte. Das reicht. Das reicht völlig, der Ruhm ist bereits so groß, dass vertraulich wirkendes Vornamentum vermieden wird. Nicht, dass am Ende noch jemand auf den Gedanken käme, kraft Visitenkartenbesitzes am Telefon jemanden anderes als Mister Barnsley zu verlangen. Einziger Zierrat: der optische Kontrapunkt rechts am Rand, ein Stapel aus lila Rechtecken, wie von einem erfolgreichen Tetris-Spieler angehäuft. Spartanisch auch die Kehrseite, die distinguiert blassgrauen Adresse-Informationen vorbehalten bleibt: „40–41 Great Marlborough Street, London W1V 1DA“. Eine kryptische Kombinatorik? Nur für jene, die nicht wissen, wo man sitzt, wenn man es geschafft hat. Ein Kärtchen, das man mal über eBay anbieten sollte. bes

Work in Progress

Montagmorgen? Donnerstagnachmittag? Sonntag, 2.37 Uhr AM? Ist egal, der Schreibtisch ist immer voll, Zeit zum Aufräumen bleibt keine, die Maschine läuft und läuft. Die Maschine, das ist das Hirn, und das wird in Gang gehalten von Kaffee – wobei sich dieser britische Designer als Schöpfer einer Internet-Seite namens www.teastain.net eindeutig lieber vom Teekonsum anregen lässt. Klar jedenfalls: Es handelt sich um einen Kreativen, dem es nicht um das Hochglanzendprodukt geht, sondern um den Prozess der Arbeit. Hier wird der Arbeitsalltag gerade erst entdeckt und gefeiert als eine sinnliche Angelegenheit: Die Karte erzählt ironisch von Leidenschaft und Einsatz und von der Bereitschaft, Arbeitsprozesse offenzulegen – letzteres ein Beweis dafür, dass hier etwas verstanden wird vom Geschäftsfeld „communication“. Auf der Rückseite finden sich die Kontaktdaten noch einmal spiegelverkehrt: keine revolutionäre Idee, aber der Hinweis darauf, dass dieser Designer auch das Handwerk im Blick hat. Außerdem gibt es noch einen Sinnspruch zum Wesen des Designs, in diesem Fall zu lesen als ein Hinweis auf das Selbstverständnis des Kartenschöpfers: Als „Assoziationsmaschine“ möchte er verstanden werden, als jemand, der die Gedanken des „Users“ aufgreift und befruchtet – unumgänglich, dieser Zusatz, um zu erklären, was gemeint sein könnte mit dem Geschäftsfeld „interaction design“, von dem auf der Kartenvorderseite zu lesen ist. kli

Endstation Carcavelos

Ganz am Anfang der Karriere kommt mancher Designer auf die gar nicht verkehrte Idee, ein Visitenkärtchen müsse her. Ein selbst gestaltetes, natürlich. Das – und hier begeht der Adept möglicherweise einen folgenschweren Irrtum – könne nicht schaden. www.triplinfinito.com hat ebenso viel Hirnschmalz auf die nicht fehlerfrei buchstabierbare Internetadresse verschwendet, wie auf die Befüllung seines Vorzeigekartons. Es gibt achtförmige Schlaufen, einen auf der Spitze balancierenden Namen und eine Anschrift in Carcavelos (Spanien? Chile? Argentinien?), unter der „lrg do girassol bic-E-loja“ zu erreichen ist. Wahrscheinlich wartet er noch lange vergeblich auf Anrufe. bes

Let’s call Fridolin

„Strukt“ – kurz, knapp und wahrscheinlich die bessere Worthälfte von „Konstrukt“. „Strukt“ steht auf dieser Karte, wie sonst „Saloon“ auf Hausfassaden steht. Auf der Kartenoberfläche ist kaum sichtbar eine zweite Struktur angebracht: Hält man die Karte gegen das Licht, offenbart sie Stierhörner mit einem Schlag ins Esoterische. Alles weit weg. Sehr persönlich dagegen die Rückseite: handschriftliche, pseudospontan hingeschriebene Kontaktdaten. Keine Nachnamen. Let’s call Fridolin. kli

Mut zur Arabeske!

Arabische Schriftzeichen sind gerade in Terrorpanikzeiten tabu. Nicht jedoch der Reiz der Arabeske: Mohammad Alkhalifa gibt als Funktionen die eines „managing & creative director“ des „de studio“ an. Das hat seinen Sitz in Manama, im Königtum Bahrain, worauf möglicherweise die olivgrün und preußischblau geschwungenen Formen zu verweisen scheinen. Ein Pluspunkt also in visueller Kommunikation. Allerdings: Der Schriftgestaltungsproporz wirkt leicht gestört. Geeignet nur für Menschen, die lupebewehrt telefonieren. bes