berliner szenen Kontrolle der Falschen

Am hellen Tag

Der Gang führt vom Columbiadamm zur Oderstraße. Rechts liegt das winterschlafende Columbiabad, links erst ein Sportplatz und schließlich eine Laubenkolonie. Nicht umsonst heißt diese Strolchröhre offiziell „schwarzer Weg“, denn nachts hört hier niemand dein Schreien, und auch ich gehe dann nur ungern hier lang, ohne Mädchen, das Karate kann. Manchmal denkt man im Dunkeln sogar an die Polizei.

Jetzt ist sie da – traritrara! Kaum biege ich um die Ecke Richtung Oderstraße, stehen dort Bulle und Bulette neben ihrem geleasten BMW. Es ist zwar heller Tag, aber immerhin: Sie beschützen mich, und nachts müssen die ja auch mal schlafen – das gibt’s doch nur bei James Bond, dass die das nicht müssen.

„Guten Tag“, sagt der Bulle, „allgemeine Verkehrskontrolle – für Radfahrer“, fügt er hinzu – was ist daran „allgemein“? Eher hundsgemein. Er drückt mir zwei Zettel mit Verhaltensvorschriften in die Hand, während seine Kollegin einen anderen Rad-Rowdy am Wickel hat, dessen Fahrrad schon am Boden liegt. Die wollen mich nicht beschützen, die wollen nur die anderen beschützen. Vor mir. Umgekehrt wäre es mir ja lieber gewesen und obendrein ergiebiger: Würden die bloß mal eine halbe Stunde lang am Herrmannplatz die rechts abbiegenden Autofahrer beobachten, könnten sie von der Knete der ganzen Kompanie hypermoderne Knüppel kaufen, die nicht nur killen, sondern auch noch Kaffee kochen können.

Mein Fahrrad hat kaum was von dem, was auf dem Zettel steht, noch nicht mal Bremsen. Zum Glück schiebt in diesem Moment ein Araber sein Rad vorbei, und ich bin ganz schnell uninteressant geworden: „Gehört das Rad Ihnen?“, stellt sich ihm der Bulle in den Weg. ULI HANNEMANN