kollateralschaden mit sauce von RALF SOTSCHECK
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Ich sitze breitbeinig am Tisch in einem Restaurant an Irlands Westküste, denn der Tisch ist so konstruiert, dass man nur breitbeinig daran sitzen kann. Es zieht, denn die Tür ist undicht. Der Raum ist mit Gästen so voll gestopft, dass als Bedienung nur Kinder oder Frauen mit Modellfiguren in Frage kommen, denn Leute mit leichtem Übergewicht könnten sich zwischen den Tischen nicht hindurchschlängeln. Wenn man auf die Toilette will, muss man mit den Gästen an den Nachbartischen verhandeln, damit sie aufstehen. Aus dem Lautsprecher dröhnt Westlife, eine Art irischer Knabenchor.

Dann kommt das Essen, ein Stück Fleisch, Quetschkartoffeln, zu Tode gekochte Erbsen und eine alles ertränkende Sauce, in der ein Pilz schwimmt. Das Wasserglas muss ich auf dem Fensterbrett abstellen, denn der Tisch ist winzig. Nach der Nahrungsaufnahme – anders lässt sich das freudlose Ereignis nicht beschreiben – kommt die Rechnung: 37 Euro plus einen Euro für ein Glas Leitungswasser. „Wir müssen das Glas ja schließlich abwaschen“, entgegnet die Bedienung auf meinen Protest. Ob sie die Gläser mit Champagner spülen?

Das Gerede von „rip-off Ireland“, wo die Leute über den Tisch gezogen werden, müsse aufhören, sagte Tourismus-Minister John O’Donoghue neulich. „Das wird sonst internationale Folgen haben“, warnte er. „Keine Tourismusindustrie der Welt macht sich selbst schlecht.“ Das braucht sie auch gar nicht. Die Besucher merken das von ganz alleine – und bleiben weg. Außer in Dublin ist die Zahl der Touristen im ganzen Land zurückgegangen. Die meisten sagen, es liege am schlechten Wetter und an den hohen Preisen.

O’Donoghue behauptet, Irland sei noch nie eine billige Sonneninsel gewesen. Damit hat er zur Hälfte Recht: Mit 246 Regentagen im Jahr liegt das Land an der Spitze der Europäischen Union. Allerdings zählen dazu auch die Tage, an denen es mal ein halbes Stündchen nieselt. Von den Preisen hat O’Donoghue allerdings keinen Schimmer: Vor nicht einmal zehn Jahren lagen die Lebensmittelkosten in Irland um elf Prozent unter dem EU-Durchschnitt, heutzutage liegen sie 17 Prozent darüber.

Lediglich in Dublin sind die Besucherzahlen gestiegen, was vor allem an Engländern liegt, die für ausgiebige Wochenendzechtouren in die irische Hauptstadt kommen. Liegt es daran, dass sich die Einheimischen in ihrer eigenen Stadt nicht mehr sicher fühlen? Nur knapp die Hälfte gab bei einer Umfrage eines niederländischen Instituts an, dass sie keine Angst haben, wenn sie in Dublin unterwegs sind. In keiner anderen europäischen Stadt halten die Bewohner ihre Lokalpolitiker für so unfähig wie in Dublin – dabei sind sie gar nicht unfähig, sondern bloß korrupt. Vier Fünftel der Befragten finden die Stadt dreckig und unglaublich teuer.

Da bin ich mit meinem Restaurant an der Westküste noch gut bedient. Lediglich die Hüftschmerzen vom breitbeinigen Sitzen sind etwas unangenehm. Als ich mich am Nachbartisch vorbeizwänge, um den Laden durch die zugige Tür zu verlassen, werfe ich wegen der steifen Gelenke ein Glas auf den Boden. Ich muss es selbstverständlich bezahlen. Dem Preis nach zu urteilen war es mundgeblasen.