Comeback im Geheimen

Was macht eigentlich Rudolf Scharping? Eine dringende Suchmeldung

Man munkelt in der Hauptstadt, Scharping plane eine große Koalition

Es ist still geworden um einen Mann, der eigentlich dazu berufen war, Deutschlands erster SPD-Kanzler nach Helmut Kohl zu werden. Man erinnert sich dunkel: Es gab eine Troika, damals wollte ein seltsam ungelenk wirkender Brillenträger aus der Provinz mit Vollbart und Männerfreundschaft an die Macht. Der Bart ist schon lange ab, der eine Männerfreund ist nun Kanzler, der andere sein Intimfeind. Doch was macht Rudolf Scharping, der einstige Hoffnungsträger so vieler Sozialdemokraten, die Verkörperung der Neunzigerjahre-SPD? Niemand weiß es genau. Politische Freunde, die sich offen zu ihm bekennen würden, hat er keine mehr.

Scharping – ein gebrochener Mann? In diesen Tagen, da es Winter wird in Berlin, wo es noch grauer ist als im Rest der tristen Republik, wollen politische Beobachter vor dem Kanzleramt eine verhärmte Gestalt mit St.-Martins-Laterne gesehen haben. Einer, der mit irrem Grinsen Abgeordneten in den Weg springt und Beamte aufhält, sie anfleht, ihm „ein Stück vom Mantel der Macht“ oder „vom Mantel der Geschichte“ abzugeben. War das Rudolf Scharping? Der Mann, der sich irgendwann für gut gekleidet hielt?

Manchmal noch geistert er durch die Medien, als Zombie. Erst kürzlich hat sich die Leipziger Volkszeitung seiner erinnert: „Vielleicht ist Angela Merkel heute schon so fertig, wie es Rudolf Scharping, der SPD-Kanzlerkandidat von 1994, war. Als sicherer Sieger lange vor der Wahl, ließ diesen, bevor es ernst wurde, zunächst das Gespür für die Wirklichkeit und dann auch die Mannschaft im Stich.“ Ein ungerechter Vergleich – obwohl ja auch Frau Merkel schon vom Fahrrad gefallen ist und als Umweltministerin ähnlich wegweisend war wie Rudolf Scharping als Verteidigungsminister.

Was hat dieser Mann überhaupt verbrochen? Ein Mann, der für manche sogar etwas wirklich ganz besonders war, „das größte Talent der Sozialdemokratie seit August Bebel“ (Rudolf Scharping über Rudolf Scharping)? Gut, er hat gebadet. Das haben andere vor und nach ihm auch. Und die Partei weiß, dass ihm Unrecht angetan wurde, zuerst die Intrigen im Kampf um die Macht, dann der Sturz vom Ministersessel. Es bleibt ein dumpf pochender unterschwelliger Phantomschmerz, auch wenn Scharping aus Mitleid noch einmal in den Bundestag gewählt wurde.

Auf der Internetseite www.rudolf-scharping.de dokumentieren Fotos seine großen Zeiten: „Die Feier zum mündlichen Abitur 1966“, schwarzweiß, Scharping gähnt oder göbelt, man weiß es nicht so genau, „Gipsgeschichten“, Soldaten beschmieren den Arm von Rudolf Scharping, den sie ihm vorher gebrochen haben, Rudolf mit Bill Clinton „in angenehmer Atmosphäre“, zusammen mit Tony Blair, der ihn hartnäckig ignoriert oder mit Hartmut Engler von Pur, „im Gespräch auf einer privaten Feier“. Engler, der ewige Optimist, wirkt sehr resigniert. Keine Spur von Oskar oder Gerhard. Dafür ein Bild mit Joschka: „Im Mittelpunkt des Gesprächs mit Außenminister Joschka Fischer: Die Sicherheit Deutschlands sowie die internationale Lage.“ Ja, er hat eine Lücke hinterlassen, auch wenn viele jüngere SPD- Bundestagsabgeordnete gar nicht mehr wissen, wie er aussieht.

Arbeitet er im Geheimen am Comeback? Auf den Hinterbänken des Parlaments sind in den letzten Wochen Zettel aufgetaucht, darauf in krakeliger Handschrift: „Ich komme wieder. Bitte nach vorne weitergeben, zum Kanzler, viele Grüße von einem, der noch Großes vorhat.“ Nicht wenige vermuten Scharping hinter diesen geheimnisvollen Zeilen. Man munkelt, er plane eine große Koalition, zusammen mit Friedrich Merz, Oswald Metzger, Cornelia Piper und Monika Griefahn – die allerdings allesamt dementieren, dies aber auffällig vehement. Als Regierungssprecher wird ein absoluter Profi gehandelt: Gerhard Delling, der Meister der langatmigen Moderation, ein Mann, der dem ehemaligen Verteidigungsminister seit geraumer Zeit immer ähnlicher wird, so als stimme er sich schon jetzt innerlich auf seine neue Aufgabe ein.

Scharping selbst ist schon seit Wochen untergetaucht. Er weiß, dass die Zeit für ihn arbeitet, wenn Schröder einmal hinschmeißen sollte – denn nicht nur die CDU hat keine Talente, die die Macht übernehmen könnten.

Der SPD geht es genauso. Scharping hat es bewiesen – und will es wieder tun. In Regierungskreisen will man diese Spekulationen nicht kommentieren. Für die Weihnachtsfeiern im Kanzleramt wurde allerdings Sicherheitsstufe orange ausgegeben: Weihnachtsmänner müssen draußen bleiben.

Denn, so heißt es aus gut informierten Kreisen, Scharping trägt wieder Bart. GEORG GRUBER