Einigkeit und Recht und Biergarten

WEIHESTUNDE Der BRD zum 60.: „Mein Deutschland – Geteilte Heimat“ (21 Uhr, ARD)

Für ihn sei Deutschland „Wald, große Dome und schöne Kneipen“, sagt Norbert Blüm treuherzig, und der „Kaiser“ selbst guckt durch seine blaugetönte Brille und verkündet: „Wir leben in einem Paradies.“ Doch halt, trotz Beckenbauer sind wir nicht beim Erdinger Weißbräu, sondern im ARD-Rundumschlag zu 60 Jahre Deutschland. Und damit dann doch wieder mitten im Erdinger Weißbräu bzw. dem ganz großen Mainstream.

Denn schließlich läuft dieses geschichtsmächtige Werk ja schon um 21.00 Uhr, und der Oberanpasser Günther Jauch beschwört die Birken seiner neuen Heimat, der Mark Brandenburg.

„Geteilte Heimat“ ist der erste von drei Teilen betitelt, deshalb kommt am Anfang auch Eva-Maria Hagen (um die Ossis nicht ganz zu enttäuschen). Und sogar Gregor Gysi wie Günter Schabowski dürfen was sagen. Ansonsten ist die ganze Angelegenheit aber reichlich westdeutsch, Promis stolpern durchs Lied der Deutschen und werden nach so aufregenden Dingen wie frühen Entwürfen für die Bundesflagge und der Promillegrenze im Straßenverkehr in den wirtschaftswunderlichen 1950er-Jahren befragt.

Die DDR-Deutschen mussten derweil Russisch lernen, und hier wird „Mein Deutschland“ ärgerlich: Während die auf den Westen bezogenen Geschichtssplitter halbwegs zwischen Regierung(spolitik) und Volk(smeinung) zu differenzieren versuchen, wird der Osten allein über die offizielle Haltung der DDR-Mächtigen präsentiert.

Solch im übertragenen Sinne richtiges Klassenbewusstsein sorgt für Siegerlaune. Doch mal ehrlich: Die passt ja auch viel besser zum Erdinger Weißbier. Es ist halt a Pracht mit Deutschland – auch wenn die Alkoholgrenze schon lange nicht mehr wie anno 1955 bei 1,5 Promille liegt. STEFFEN GRIMBERG