Abstieg als Chance

Der SC Freiburg verliert gegen Bremen mit 0:6 und übernimmt die rote Laterne. Dazu singen die Fans: „Das Licht ist aus, wir gehn nach Haus. Rabimmel, rabammel, rabumm“

AUS FREIBURG CHRISTOPH RUF

Das Leben kann so einfach sein: „Außer Golz alle sechs“, erläuterte ein Schreiber nach dem Spiel triumphierend, wie er die 90 Minuten gesehen hatte. Der Boulevard mag eben Holzhammer und Sichel. Dabei spielten drei, vier SCler ganz ordentlich – und auch den Einsatzwillen konnte man der Equipe dieses Mal nicht absprechen. Gerade deshalb ist das Fazit dieses Samstags an der Dreisam noch niederschmetternder. Denn das 6:0 Bremens war nicht um ein Tor zu hoch ausgefallen. Und am nahenden Ende der Hin-Serie – der SC muss noch nach Schalke – steht der Club zu Recht auf einem Abstiegsrang. Der Fußball, für den Freiburg jahrelang stand, funktioniert nicht mehr.

Nur noch selten spielt der SC so attraktiv, wie es ihm manche Zeitungen immer noch zuschreiben. Auswärts tritt kaum eine Mannschaft defensiver auf. Doch die Hoffnung, aus einer dicht gestaffelten Defensive Konter zu landen, geht auch deshalb selten auf, weil zu viele Spieler technische Schwächen haben. Aus Mangel an Ideen und Risikobereitschaft kommt es oft zu unnötigen Rückpässen, durch die die alles andere als ballsicheren Defensivkräfte Diarra und Schumann genötigt werden, den Ball blind nach vorne zu dreschen.

Damit nicht genug: Zwar betonen die Verantwortlichen immer wieder, die Hauptaufgabe der Offensiven sei nicht das Toreschießen, sondern das Lückenreißen. Wenn sich Spieler, die frei auf den Torwart zulaufen, derart hilflos anstellen, kann das aber genauso wenig taktisch begründet werden wie der Umstand, dass Finke besonders vorne die Alternativen fehlen. Und selbst wer nicht bei jeder Grätsche in Verzückung gerät, sah zuletzt ein Team, das oft geradezu aufreizend unengagiert auftrat. Am Samstag war es noch schlimmer: Der Einsatz stimmte, mit zunehmender Verunsicherung der Spieler wurde der Klassenunterschied dennoch immer offensichtlicher.

Ginge der SC ehrlicher mit seinen Defiziten um, würde man ihm dennoch zu seiner Gelassenheit gratulieren, die in Panikkäufen und Trainerwechseln kein Allheilmittel sieht. Denn natürlich sind Abstiege systemimmanent in einer Liga, in der mancher Spieler mehr verdient als die ganze SC-Startelf zusammen. Warum es Finke allerdings so schwer fällt, einzugestehen, dass er die Stärke des Kaders vor der Saison überschätzt hat, bleibt die andere Frage. Und wenn bestritten wird, dass man vor der Saison intern mindestens einen einstelligen Tabellenplatz für möglich hielt, ist das genauso unredlich wie der Umgang mit Niederlagen, wo allenfalls in Nebensätzen auf das schlechte Spiel der eigenen Mannschaft eingegangen wurde. Die Hauptsätze galten jeweils tatsächlichen oder imaginären Schiedsrichterfehlleistungen oder dem Fehlen einzelner Spieler. Auch die Unsitte, beleidigt jede kritische Nachfrage als Beweis fußballerischer Ahnungslosigkeit zu geißeln, funktionierte bislang noch bestens. Erst nach der 0:6-Niederlage vom Samstag deutete Finke zaghaft an, er sehe „durchaus, dass wir auf zwei, drei Positionen nicht bundesligatauglich sind“.

Die etwa hundert Fans, die einen Trainerrauswurf forderten, wurden dennoch auch am Samstag von einer Übermacht niedergepfiffen, was für die Intelligenz des Publikums spricht, dem das automatisierte „Raus!“-Geschreie mehrheitlich zu billig ist. Zumal manche Medien absurdes Theater spielen, wenn sie eine Trainerdiskussion eröffnen, um kurz darauf festzustellen, dass es eine Trainerdiskussion gibt. In Zeiten, in denen die Latteks mit ihren Burschenschaftsparolen vom Eierzeigen und -ausreißen aus der Schlachtkammer grüßen, ist es erfreulich unpopulistisch, dass Finke sich schützend vor seine Mannschaft stellt. Und es ist zu vermuten, dass er zumindest intern viele Fehler anspricht, die er nach außen in Abrede stellt.

Vielleicht läge in einem Abstieg sogar eine Chance, denn dass Finke mit jungen Leuten arbeiten kann, bestreiten selbst seine Kritiker nicht. Und in der Fußballschule harren Nachwuchsspieler aus, die man in der Zweiten Liga zielstrebiger an den Profikader heranführen könnte. Man kann das Freiburger Modell trotz seiner derzeitigen Krise einfach nicht unsympathisch finden. Den Umgang mit seinen Defiziten hingegen schon.

SC Freiburg: Golz - Riether, Mohamad, Diarra (46. Antar), Schumann - Kruppke, Zkitischwili (70. Berner) - Cairo, Coulibaly - Iaschwili, Sanou (46. Dorn)Werder Bremen: Reinke - Pasanen, Baumann, Ismael (73. Davala), Stalteri - Jensen, Ernst (69. Lagerblom), Borowski - Micoud (64. Magnin) - Klose, CharisteasZuschauer: 24.500; Tore: 0:1 Klose (20.), 0:2 Klose (23.), 0:3 Charisteas (29.), 0:4 Charisteas (57.), 0:5 Micoud (62.), 0:6 Charisteas (87.)