Die auf der Leitung stehen

Wirtschaftsminister Wolfgang Clement will nächstes Jahr einen Deutschland-Atlas für DSL-Anschlüsse herausgeben

Johannes Singhammer macht sich schon länger Sorgen darüber, ob die Deutschen richtig ans Internet angeschlossen sind. Er sitzt für die CSU im Bundestag und hat in einer damals nicht weiter beachteten Rede am 15. Januar 2004 gefordert: „Die Telefondrähte in unserem Land müssen wieder richtig glühen, die Leitungen surren.“ Nichts davon ist bislang zu sehen oder zu hören, jede verfügbare Statistik zeigt, dass sich die Deutschen nur mittelmäßig für das Internet erwärmen.

Deshalb hat er letzte Woche dem sozialdemokratischen Wirtschaftsminister Clement einen Brief geschrieben, um ihn zu fragen, ob er eigentlich wisse, wie es mit der Verbreitung so genannter Breitbandanschlüsse stehe. Nicht besonders gut, meint Singhammer selbst, in seiner Januar-Rede sagte er, dass es davon nur fünf Millionen gebe. So genau weiß das Wolfgang Clement heute noch nicht, aber auch er will jetzt die Frage näher untersuchen und im nächsten Frühjahr einen „Breitband-Atlas“ für Deutschland herausgeben. Mit Singhammer ist er einer Meinung, es sei „wichtig, dass breitbandige Infrastrukturen flächendeckend verfügbar sind“, und will dieses „Ziel mittelfristig erreichen“.

Wenn sich Politiker derart parteiübergreifend einig sind, ist meistens etwas faul an der Sache. Techniker benutzen das Wort „Breitband“ für Leitungen zwischen Computern, die mehr als 2 Millionen Bit pro Sekunde übertragen können. Die beiden Politiker meinen mit demselben Wort die Übertragungstechnik „DSL“ (Digital Subscriber Line), die heute alle größeren Telekommunikationsfirmen mit einigem Werbeaufwand anbieten. Die günstigsten Preise liegen zurzeit bei etwa 30 Euro im Monat, aber was man dafür bekommt, ist keine Breitband-Leitung im technischen Sinn. Die Telekommunikationsfirmen erlauben ihren Kunden nur, Daten mit Geschwindigkeiten zwischen 0,8 und 3 Millionen Bit pro Sekunde von dem einen Computer abzurufen, mit dem sie ihn an das übrige Internet anbinden. Techniker sprechen vom „Downstream“.

Natürlich können weder sie noch Politiker vorhersagen, ob diese Übertragungsrate für die gesamte Strecke zwischen dem DSL-Kunden und dem Computer gilt, von dem er Daten tatsächlich abrufen möchte. Wahrscheinlich ist das fast nie der Fall, denn zum üblichen DSL-Paket gehört, dass Daten im „Upstream“ nur mit einer Geschwindigkeit von höchstens 0,3 Millionen Bit pro Sekunde in das Internet übertragen werden. Daher können selbst zwei DSL-Nutzer nur in einer Bandbreite miteinander kommunizieren, die nicht wesentlich höher liegt als bei Nutzung einer ISDN-Telefonleitung.

Echte Breitband-Anschlüsse ans Internet sind noch viel seltener, als Johannes Sieghammer meint. Wirklich nützlich für Privatleute wären sie nur in Tauschnetzen, aber davon ist auf seiner Website (www.singhammer.net) nichts zu lesen. Das Internet, das sich der Politiker vorstellt, ist ein halbiertes Internet der Medienkonzerne, die zahlende Konsumenten suchen. Nur dafür ist die DSL-Technik sinnvoll. Denn Medienkonzerne können technisch dafür sorgen, dass der Downstream von ihren Servern ausreichend schnell ist.

Was ihre Kunden im Upstream damit anfangen, ist ihnen verdächtig. Wenn sie selbst Daten anbieten, haben sie mit dem Staatsanwalt zu rechnen.

Kunden oder Wähler haben nichts zu sagen. Und je mehr DSL-Leitungen sie haben, desto weniger haben sie zu sagen.

NIKLAUS HABLÜTZEL