Bei grünen Frauen sieht Schily rot

Dass Otto Schily die Stasiunterlagen-Chefin Marianne Birthler strafversetzt hat, zeigt erneut: Der Innenminister kann nicht mit Grünen-Frauen, die in seiner Liga spielen. Kommt dem 72-Jährigen seine Vergangenheit in die Quere oder sein Starrsinn?

AUS BERLIN DANIEL SCHULZ

Marianne Birthler zeigt sich zufrieden. Dass künftig nicht mehr der autokratische Innenminister Otto Schily für ihre Behörde zuständig ist, sondern Kulturstaatsministerin Christina Weiss, weise „in die richtige Richtung“, sagt die Stasiunterlagen-Beauftragte. Die Frau will jetzt bloß nicht provozieren. Doch ihre Vertreibung aus dem Reiche Ottos des Großen steht symbolisch für einen Kampf, den der Bundesinnenminister seit Beginn seiner Amtszeit kämpft – Schily gegen die Grünen-Frauen.

Weiblich, grün, um die 50 und auch noch auf Schilys eigenen Gebieten kompetent – diese Kombination garantiert Zoff mit dem 72-jährigen Minister. Die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck und Grünen-Chefin Claudia Roth gehören seit langem zu den Lieblingsfeinden Schilys. Birthler reihte sich spätestens mit dem Streit um die Stasiunterlagen von Helmut Kohl in diese Riege ein. Schily schimpfte öffentlich, Birthler sei „renitent.“

Denn die Ostdeutsche, die nach der Wende Ministerin in Brandenburg war, wollte die Akten über den Altkanzler an Medien herausgeben – zu Schilys Ärger. Im Juli 2001 stellt der Minister ein Ultimatum: Die Stasiunterlagen-Chefin soll auf das Herausgeben von Promi-Akten verzichten. Als sie sich weigert, schneidet Schily die unbotmäßige Politikerin. Zu einer Podiumsdiskussion Leipziger Bürgerrechtler mit Birthler erscheint der Sozialdemokrat nicht. Und im September diesen Jahres drohte Schily, nicht bei „Sabine Christiansen“ zu erscheinen, sollte Birthler dort auftauchen. Die Frau wurde ausgeladen. Kein Wunder, wenn Birthler-Sprecher Christian Booß nun vieldeutig sagt: „Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit einer Ministerin, die unsere Arbeit schätzt.“

Deshalb habe man seiner Chefin den Wechsel auch nicht mit dem Versprechen auf eine zweite Amtszeit versüßen müssen, wie der Spiegel gemeldet hatte. „Diese Meldung ist falsch“, sagt Booß. Auch Weiss-Sprecher Hagen Philipp Wolf ist „eine solche Debatte unbekannt“. Schließlich werde die Unterlagen-Beauftragte vom Parlament gewählt.

Der ehemalige Grüne Otto Schily entkommt seiner Partei nicht. 1989 hat er die Grünen verlassen und wechselte zur SPD. Doch die alten Scharmützel ficht er weiter. 1983 war Schily mit der heutigen Ausländerbeauftragten Marieluise Beck sowie Petra Kelly Sprecher der ersten Grünen-Fraktion im Bundestag. Man mochte sich schon damals nicht, und auch heute „überlagern Spannungen das Verhältnis“, wie ein Vertrauter Becks sagt. Wo es nur geht, sind Beck und Schily anderer Meinung. Beck hielt 1998 die Auffanglager am Frankfurter Flughafen für eine Katastrophe, Schily fand dort alles in Ordnung. Ein Jahr später hielt es Beck für unverantwortlich, Flüchtlinge aus dem Kosovo wieder zurückzuschicken. Schily wollte noch bis Jahresende die ersten Kosovaren los sein.

Auch Grünen-Chefin Claudia Roth kennt Otto Schily schon lange. Dennoch ist das Verhältnis eher herzhaft denn herzlich. Spektakulär, nämlich vor laufenden Kameras im Bundeskanzleramt, stritten Schily und Roth im Herbst 2001 darüber, wie es mit dem Zuwanderungsgesetz weitergehen solle. Und als Schily im Sommer die Idee aufbrachte, Flüchtlinge aus Afrika seien dort mit Lagern von der EU fernzuhalten, gab es wieder einmal handfesten Krach. „Wollen Sie etwa, dass Schleuser belohnt werden?“, schnauzte Schily. Roth setzte auf verbales Abrüsten und seufzte nur: „Ja mei, der Otto“.

Die SPD freilich ist stolz auf ihren starken Mann. Der Otto sei „eben eine Persönlichkeit“, sagte gestern SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz. „Wäre er eine Flasche, würde man sich an ihm nicht reiben.“