Ein Krug ist müde

Im Düsseldorfer Schauspielhaus hat Heinrich von Kleists „Der zerbrochene Krug“ Premiere. Die Inszenierung von Philip Tiedemann trägt eher biedere Züge und will mit wenig Ideen auskommen

von PETER ORTMANN

Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2003. Auf der Suche nach ungewöhnlichen Inszenierungen durchstreift der Theaterbegeisterte das Land. In Düsseldorf hat „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist Premiere. Ein Stück von dem Friedrich Hebbel 1850 gesagt hat, daß es ein Werk sei, dem gegenüber nur das Publikum durchfallen könne. Doch in der aktuellen Inszenierung von Philip Tiedemann am Schauspielhaus wird dafür ein Gegenbeweis angetreten. Allzu bieder, allzu gewöhnlich, allzu, man kann es nicht anders sagen, langweilig kommt die Geschichte von alten Dorfrichter Adam daher.

Der will, jeder sollte das eigentlich wissen, mit einem fingierten Schreiben, das den ungestümen Burschen Ruprecht vor dem Krieg in Batavia retten soll, die Jungfer Eve zu unzüchtigen Handlungen zwingen. Leider zerbricht er auf der Flucht ungestüm einen Krug und muß nun vor Gericht seinen eigenen Fall verhandeln und sich eigentlich den eigenen Hals ins Eisen judizieren. Inwieweit er sich de facto strafmaßmäßig schuldig gemacht hat, untersucht zur Zeit auch das Bundesverfassungsgericht in einer fiktiven, aber pressewirksamen Rechtsrecherche. Gute Werbung auch für alle Bühnen, die den Krug gerade auf dem Spielplan haben und das Szenario weidlich ausnutzen.

Das Bühnenbild in Düsseldorf ist eine schiefe Ebene, durch dessen Bretterfußboden die Protagonisten manchmal einbrechen. Einmal ein Lacher, arm waren sie eben damals in den holländischen Provinzen, beim fünften Mal überwiegt im Publikum eher die Angst um die Schauspieler. Es ist wenig vorhanden, das dem Stück eine zeitgenössische Inszenierungsidee bescheinigen könnte. Erinnern wir uns wehmütig an die wilde Inszenierung von Dimiter Gottscheff am Schauspielhaus Bochum. Martin Leja spielte in beiden Aufführungen mit. Vor fünf Jahren den diamantgebisstragenden Gerichtsrat Walter, in Düsseldorf den bürokratisch korrekten Schreiber Licht. Gottscheff lieferte damals eine völlig neue Inszenierung des Stoffes. Mit witzigen Ideen, bösen Witzen und einem holländisch brabbelnden Peter Jordan.

Dagegen stehen bei Tiedemann neben den brechenden Brettern nur ein Biedermeier-Schattenspiel und das alternative Ende, der sogenannte „Variant“-Schluß. Nicht Frau Marthe Rull, die Krugbesitzerin, sondern Gerichtsrat Walter, den Michael Fuchs sehr überzeugend umsetzt, hat das letzte Wort. Er sitzt mit dem Bauern Veit Tümpel auf der Gerichtsbank und erklärt ihm die große Kriegspolitik der damaligen Kolonialmächte. Bis der Sturm seine Worte verweht.

Das größte Amusement des Abends löste bei mir das bekannte Matthias Beltz-Kleist Zitat auf der letzten Seite des Programmheftes aus: Wenn man sich nicht selbst bescheißt, endet man wie Heinrich Kleist, ohne List und ohne Mogeln erschoss er sich und auch Frau Vogeln.

19:30 Uhr, Karten: 0211369911