Absolute Beginner

Gestern stellte der Kommunalverband Ruhrgebiet dreißig HoffnungsträgerInnen des Reviers vor: Sie haben Lichtmöbel designt, Strauße gezüchtet und angstfreies Zähnebohren erfunden

VON ANNIKA JOERES

Diana Svoboda nennt sich eine „warme Perfektionistin“. Die Essener Zahnärztin hat die Ängste ihrer PatientInnen erkannt und eine neuartige Praxis eröffnet: Der Empfang ähnelt einer Hotelrezeption, der Wartebereich einem netten Café. Die besonders Panischen können ein Entspannungsbad nehmen. „Für viel Geld eine schmerzhafte Behandlung zu erhalten, ist doch widersinnig,“ sagt sie.

Svoboda ist eine der 30 GründerInnen der „Generation G. – die neuen Chefs im Westen“. Das gestern in Essen vorgestellte Buch ist ein Gemeinschaftsprojekt des Kommunalverbandes Ruhrgebiet (KVR) und dem Schönfeldt und Partner Verlag und soll vor allem anstecken: „Unsere Gründer sollen Mut machen,“ sagt Claudia Reiß vom Verlag. Als die Ich-AGs in aller Munde waren, habe niemand gewusst, wie man sich selbständig macht. Carsten Tum vom KVR hofft auf neue Chancen fürs Revier: „Neue Gründer bringen Identität für die Region und machen sie lebenswert,“ sagt er. Die Menschen, die hier sind, sollen bleiben und neue sollen kommen, wünscht sich Tum.

Die Erfüllung seiner Wünsche tut Not. Zurzeit liegt die Selbständigenquote im Ruhrgebiet mit 7,5 Prozent unter dem Landesdurchschnitt von 9,1 Prozent. Über 2.100 Hektar Gewerbeflächen stehen frei – obwohl im Revier so viele Unis wie nirgendwo sonst existieren und hier mehr als 30 Technologie- und Gründerzentren in den letzten Jahren entstanden sind.

Die 30 portraitierten GründerInnen sind allerdings nicht repräsentativ: Es finden sich zwar 19 Essener und EssenerInnen, aber niemanden aus Dortmund oder Duisburg. Dabei plant Dortmund bis zum Jahr 2010 durch Gründungen in der Informationstechnologie, im E-Commerce und der Mikrosystemtechnik bis zu 70.000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Und Duisburg schwärmt vom Gründergeist im Logistikzentrum. „Wir konnten nicht die Region abbilden“, sagt Tum. Nicht alle Städte hätten kooperiert und außerdem sei es wichtiger, „verschiedene Gründer aller Sparten“ vorzustellen.

Die Gründerinnen hingegen kamen zu kurz: nur vier Frauen finden sich im Buch. Claudia Reiß weist die Verantwortung für die Auswahl von sich: „Wir haben uns mehr Frauen gewünscht, aber keine gefunden“, sagt sie. Frauen würden ihr Licht immer unter den Scheffel stellen und eigene Leistungen kleinreden.

Das tut Uwe Schließer nicht. Er übernahm 1998 den elterlichen Rutherhof in Essen, ein Großbetrieb für Bullenmast. Doch Schließer sah keine Zukunft für die Bullen und kauft seine ersten beiden Straußtiere Ben und Fatima. Seitdem ist er leidenschaftlicher Züchter mit eigenem Hofladen. „Ohne Lobbyarbeit geht gar nichts“, sagt er.

Das meint auch Lydia Wustlich. Mit dem Handel von Elektonikbauteilen machte sich die jetzt 54-Jährige aus Kamp-Lintfort selbständig, nun ist „Optoelektronik“ ein Tochterunternehmen von der „Vossloh AG“, eines der fünf größten Elektronikunternehmen weltweit. Für ihre Ideen hat sie Patente und den Innovationspreis NRW erhalten. „Ich habe alles selbst geschafft,“ sagt sie. Neugründungen seien jetzt aber schwieriger als jemals zuvor. „Es gibt tolle Ideen, aber keine Unterstützung.“ Die Bank gebe keine Kredite, das Land fördere nicht. Viele GründerInnen stunden kurze Zeit später wieder vor dem Aus. In diesen schweren Zeiten sei sie froh, dass es „nicht mehr Gründungen gibt“.