Bezirksamtsleiter wie bestellt

Verfassungsgericht: Senat darf Voten der Bezirksversammlungen ignorieren. Heute schlagen die Gremien in Eimsbüttel und Harburg ihre Amtschefs für eine Verlängerung vor. CDU gegen das Schaffen von Tatsachen vor den Neuwahlen

von KAI VON APPEN
und GERNOT KNÖDLER

Zwei Tage nach der Entmachtung des Volkes ist nun auch den Bezirken ein Stück Entscheidungskompetenz genommen worden. Der Senat muss einen von der Bezirksversammlung gewählten Bezirksamtsleiter nicht „bestellen“, sofern ihm dessen politische Gesinnung nicht passt, selbst wenn dieser die dienstrechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Das hat das Verfassungsgericht gestern entschieden. SPD-Fraktionschef Walter Zuckerer bezeichnete das Urteil „als enttäuschend für die Bezirke“, für GALier Christian Maaß öffnet es „politischen Willkürentscheidungen des Senats“ Tür und Tor.

Dem Verfahren liegt der Konflikt um den Altonaer SPD-Bezirksamtsleiter Uwe Hornauer zugrunde. Dieser war im Mai wiedergewählt worden. Der Rechts-Senat hatte seine Ernennung verzögert, da Hornauer in ein Grundstücksgeschäft seiner Freundin involviert war und sich „zu spät“ für befangen erklärte.

Zwar wurde Hornauer attestiert, er habe der Stadt nicht geschadet. Dennoch lehnte der Rechts-Senat seine „Bestellung“ ab. Die Bezirksversammlung wählte inzwischen den Liberalen Hinnerk Fock zum Amtsleiter. 31 GAL- und SPD-Bügerschaftsabgeordnete klagten daraufhin vor dem Verfassungsgericht.

Die höchsten RichterInnen Hamburgs kommen nun zu der Auffassung, dass der Senat das „Letztentscheidungsrecht“ hat. Dieser könne zwar nicht gegen den Willen des Bezirks einen Amtsleiter einsetzen, so der Vorsitzende Wilhelm Rapp. Dem Senat habe aber das Recht, „die Befugnisse der Bezirksversammlung durch eigene Entscheidungen zu begrenzen“.

Nach dem Bezirksverwaltungsgesetz werde ein Bezirksamtsleiter durch Wahl lediglich „vorgeschlagen“. Da der Bezirk dabei bezirkliche Interessen in den Vordergrund stelle, „muss der Senat bei der Bestellung die Möglichkeit haben, die übergeordneten Interessen der Stadt einzubringen“, betont Rapp. Nach der Verfassung sei die Stadt als eine Verwaltungseinheit anzusehen, in der die Bezirke Teilgebiete seien. Rapp: „Ein Selbstverwaltungsrecht der Bezirke lässt sich der Verfassung in keiner Weise entnehmen.“

Vorschläge auf gut Glück

Nach Meinung des Harburger CDU-Kreisvorsitzenden Ralf-Dieter Fischer ist das zwar „für die Bezirke nicht schön“. Trotzdem müssten sie daraus die Konsequenzen ziehen und keinen neuen Bezirkschef vorschlagen, bevor der neue Senat feststehe. Das sei ein Gebot der „demokratischen Hygiene“. Zudem werde der amtierende Senat keinen Amtsleiter mehr bestellen. Die Bezirksversammlung Harburg also könne sich die Wahl sparen, zumal die Amtszeit des Bezirkschefs Bernhard Hellriegel (SPD) erst im Mai, knapp drei Monate nach dem vermutlichen Termin der Bürgerschaftswahl ende.

Trotzdem wollen SPD, GAL und die Partei Rechtsstaatlicher Offensive (PRO) in einer Sondersitzung heute Abend Hellriegel wiederwählen. Die CDU hatte, wenn auch spät, eine Ausschreibung der Stelle gefordert. „Das ist wie in einer Firma, wenn man einen guten Mitarbeiter hat“, sagt Hagen Riemann, der Bezirksvorsitzende der PRO. Da sich Hellriegel bewährt habe, gebe es keinen Grund für eine Ausschreibung. Obwohl die Harburger FHO, eine Abspaltung der einstigen Schill-Partei, mit der CDU stimmen will, dürfte Hellriegel gewählt werden.

Eine ähnliche Konstellation gibt es in Eimsbüttel, wo GAL und SPD gegenüber CDU und PRO über die Mehrheit verfügen. „Die Amtsperiode des Bezirksamtsleiters hat mit der Legislaturperiode der Bürgerschaft nichts zu tun“, argumentiert SPD-Fraktionschef Andreas Koeppen. Die Amtszeit von Bezirksamtsleiter Jürgen Mantell ende nach sechs Jahren am 31. März 2004. Würde die Bezirksversammlung bis nach der Bürgerschaftswahl warten, gäbe es einige Monate lang keinen gewählten Bezirksamtsleiter.

Den Vorwurf der FDP, Rot-Grün wolle kurz vor der Wahl Fakten schaffen, hält der GAL-Fraktionsvorsitzende Till Steffen für „albern“. Wenn sich in der neuen Bezirksversammlung andere Mehrheiten ergäben, könnte diese Mantell abwählen.

CDU-Fraktionschef Olaf Ohlsen bittet Rot-Grün darum, auf die Wahl heute Abend zu verzichten. Wenn beide Parteien landesweit darauf pochten, dass vor der Wahl keine weitreichenden Entscheidungen getroffen werden dürften, müssten sie sich auch in den Bezirken daran halten.